Wenn die Vergangenheit wiederkommt
POSTTRAUMATISCHE BELASTUNGSSTÖRUNGEN UND GENDER
Wenn die Vergangenheit wiederkommt
Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine Reaktion auf ein traumatisches Ereignis. Am besten bekannt ist sie im Zusammenhang mit Kriegsopfern. Frauen sind anfälliger für posttraumatische Belastungsstörungen als Männer – doch heute weiss man, dass auch das Alter offenbar eine grosse Rolle spielt.
Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist definiert als Reaktion auf ein Ereignis von aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmass, das bei nahezu jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Darauf folgen immer wiederkehrende Erinnerungen oder ein Wiedererleben der Belastung durch verschiedene interne und externe Auslöser wie Alpträume oder Nachhallerinnerungen sowie Vermeidungsverhalten in Bezug auf Umstände, die dem Ereignis ähneln oder im Zusammenhang damit stehen. Zudem bestehen Erinnerungsschwierigkeiten in Bezug auf einzelne Aspekte des Ereignisses oder anhaltende Symptome einer erhöhten Sensitivität oder Erregung. Als Trauma (griechisch für «Wunde») gehören neben Gewalt-, Katastrophenerlebnissen oder Unfällen aber auch somatische Erkrankungen wie etwa Krebs bei sich oder nahen Angehörigen. Das Erleben der eigenen Hilflosigkeit und das Gefühl des Kontrollverlustes kann zu traumatischen Folgen bei den betroffenen Personen führen.
Häufigkeit von Erlebnissen und PTSB
Erlebnis
Vergewaltigung
Sexuelle Belästigung
Krieg
Drohungen mit Waffen
Körperliche Gewalt
Unfälle
Zeuge von Unfällen, Gewalt
Feuer-/Naturkatastrophen
Misshandlungen in der Kindheit
Vernachlässigungen in der Kindheit
Andere lebensbedrohliche Situationen
Andere Traumen
Irgendein Trauma
Häufigkeit Trauma
5,5
7,5
3,2
12,9
9
19,4
25
17,1
4
2,7
11,9
2,5
60
Häufigkeit PTSB
55,5
19,3
38,8
17,2
11,5
7,6
7
4,5
35,4
21,8
7,4
23,5
14,2
Männer reagieren anders als Frauen
Untersuchungen zeigen, dass posttraumatische Belastungsstörungen bei Frauen etwa doppelt so häufig auftreten wie bei Männern. Aber nicht nur das Geschlecht, sondern auch das Alter beeinflusst offenbar die Wahrscheinlichkeit, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken. Untersuchungen zeigten, dass PTBS bei Männern am häufigsten zwischen 41 und 45 Jahren diagnostiziert wird, bei Frauen liegt die kritische Phase zwischen 51 und 55 Jahren. Ausserdem scheint es, dass sexuelle Traumatisierungen möglicherweise stärkeres emotionales Leid hervorrufen als andere Traumata, wie etwa Naturkatastrophen. Dies allein kann die erhöhten PTBS-Raten von Frauen jedoch nicht erklären, denn auch bei gleicher Art von Traumatisierung waren die Konsequenzen für Frauen meistens gravierender. Es wird spekuliert, dass bei Frauen die hormonellen Umstellungen in der Menopause die Anfälligkeit für PTBS erhöht. Bei den Männern könnte der für die Lebensphase jenseits der 40 typische erhöhte private und berufliche Stress ein Grund sein. Womöglich wirken sich auch geschlechtsspezifische Rollenerwartungen aus. Laut Statistik erkranken Männer seltener als Frauen, obwohl ihnen häufiger traumatische Erlebnisse widerfahren. Dies zeigt eine Analyse von 290 Studien aus den Jahren 1980 bis 2005. Demnach sind Frauen häufiger Opfer von sexueller Gewalt, Männer sind öfter in Unfälle, Überfälle, Katastrophen oder Kriege involviert.
Selbsttest
Haben Sie in Ihrem Leben jemals eine Erfahrung gemacht, die so beängstigend, schrecklich oder erschütternd war, dass Sie im letzten Monat…
- …Alpträume davon hatten oder daran gedacht haben, auch wenn Sie es nicht wollten?
- …sich sehr bemüht haben, nicht daran zu denken oder sich grosse Mühe gegeben haben Situationen zu vermeiden, die Sie daran erinnerten?
- …ständig auf der Hut, wachsam oder leicht zu erschrecken waren?
- …sich wie abgestumpft gefühlt haben oder entfremdet von anderen Menschen, Aktivitäten oder Ihrer Umgebung?
Wenn drei oder alle vier Fragen mit Ja beantwortet werden, empfiehlt sich eine weitergehende Diagnostik. Dieser Selbsttest gibt jedoch keine zuverlässige Auskunft über posttraumatische Belastungsstörungen. Im Zweifelsfall empfiehlt sich immer das Gespräch mit einer Vertrauensärztin oder einem Vertrauensarzt.
Quelle: «Primary and Hospital Care» 2018;18(12):212–216
Männer zeigen eher Verhaltensprobleme
Als Folge von traumatischen Erlebnissen zeigen Männer eher Verhaltensprobleme, Aggression oder Drogenkonsum, bei Frauen treten häufiger Angststörungen oder Depressionen auf. Je grösser die Anzahl der durchlittenen Traumata desto schwieriger ist die Bewältigung. Gelingt es aber ein Trauma zu bewältigen und in die eigene Lebensgeschichte zu integrieren, kann so etwas wie seelische Reifung entstehen. Unter diesem Begriff versteht man Eigenschaften, die der oder die Betroffene nach Bewältigung zeigt. Dazu gehören:
- Mehr Mitgefühl und Empathie für andere, die ein Trauma oder einen Verlust erleben
- Vermehrte psychologische und emotionale Reife im Vergleich zu Gleichaltrigen
- Erhöhte Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gegenüber Schicksalsschlägen
- Mehr Wertschätzung für das Leben im Vergleich zu Gleichaltrigen
- Vertieftes Verständnis für die eigenen Werte, Lebenszweck und Lebenssinn
- Mehr Wertschätzung persönlicher Beziehungen
Autorin
Dr. med. Michaela Harzke ist Leiterin des Diagnostik- & Krisenzentrums sowie der Notfall- & Krisenambulanz der Psychiatrische Dienste der Solothurner Spitäler AG.
Nützliche Links
Notfall- und Krisenambulanz (NoKiA) – Kontaktdaten für Psychiatrische Notfälle in den Solothurner Spitälern
promentesana.ch – Kostenlose psychosoziale und juristische Telefonberatung für psychisch kranke Menschen und deren Angehörige.
seelsorge.ch – Erfahrene Seelsorgerinnen und Seelsorger kümmern sich um Menschen in schwierigen Situationen und bieten ihnen Sinn stiftende Beratung.
angehoerige.ch – Adressen für Beratungen für Angehörige. Es können auch Angehörige beraten werden, deren erkranktes Familienmitglied (oder nahestehende Person) noch in keiner Behandlung ist.
reden-kann-retten.ch – Suizidprävention, wenn jemand Suizidgedanken hat oder jemanden kennt, der möglicherweise Suizidgedanken hat.
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«Chirurgie ist für mich keine Frage des Geschlechts sondern der Leidenschaft, Einsatzbereitschaft, Flexibilität und hoher Stresstoleranz. Diese Eigenschaften sind in beiden Geschlechtern gleichermassen vorhanden. Erfreulicherweise wählen immer mehr junge Frauen diesen grossartigen Beruf. Ich kann sie alle nur darin bestärken, ihren Weg unbeirrt bis in die Führungspositionen weiterzugehen, ohne private Ziele aus den Augen zu verlieren.»
Dr. med. Martina Pabst, Leitende Ärztin Chirurgie, Kantonsspital Olten
«Das Geschlecht spielt in der Pflege keine Rolle. Ich denke, Frauen sowie Männer können den Beruf gleich gut ausüben. Was ich von vielen Arbeitskolleginnen gesagt bekommen habe ist, dass es mehr Ruhe im Team gibt, wenn ein Mann dabei ist. Viele Frauen in der Pflege finden es schade, dass nicht mehr Männer diesen Beruf ausüben. Und leider ist das falsche Klischee vom «Födli putze» immer noch sehr verbreitet. Das mag einer von vielen Gründen sein, warum so wenig Männer in der Pflege arbeiten.»
Carlos Gaspar, dipl. Experte Notfallpflege NDS, Kantonsspital Olten
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Christian Darasz war 60 Jahre alt, als bei ihm Prostatakrebs diagnostiziert wurde. Anders als die meisten Männer versteckte er die Erkrankung nicht, sondern sprach offen darüber.
«Beschwerden hatte ich keine. Aber einen erhöhten PSA-Wert, welcher einen Prostatakrebs anzeigen kann. Der erhöhte Wert wurde bei einer Routineuntersuchung beim Hausarzt festgestellt, aber man wollte noch zuwarten. Eine weitere Untersuchung hatte ich aber verschoben, da mein Aarerestaurant «Chrigus Aarebeizli» in Bannwil kurz vor der Saisoneröffnung stand. Da konnte ich unmöglich fehlen. Nach der Sommersaison dann der weitere Test und eine Biopsie mit der klaren Diagnose: Prostatakarzinom.
Ich dachte immer, wenn ich einmal eine solche Diagnose erhalte, dann sei das mein Todesurteil. Ende, Schluss. Es überraschte mich selbst, dass dem aber gar nicht so war. Es gibt ja viele Menschen, die Krebs haben und ihn auch besiegen können. Ich dachte, da bist du nicht der Einzige und auch du schaffst einen Weg hinaus. Dann redete ich. Mit meiner Frau, meinem Sohn, mit dem Spezialisten, dem Hausarzt, Angehörigen, Freunden. Ich setzte mich intensiv mit dem Thema auseinander.
Ich ging ohne Angst ins Spital. Zu Doktor Mundhenk, dem Spezialisten, der mich operierte, konnte ich ein enges Vertrauensverhältnis aufbauen. Er klärte mich transparent, ehrlich und umfassend über den Eingriff auf. Der Spitalaufenthalt selbst war sogar unterhaltsam. Als Beizer kenne ich natürlich so einige Menschen, viele von ihnen habe ich im Spital wieder angetroffen. Ich schob also Rollstühle, war in der Caféteria, auf einen Schwatz im Gang, draussen im Park – kurz, ich war permanent unterwegs. Genau das, was mir gut tat. Ich bin nicht der Typ, der den ganzen Tag im Bett liegen kann.
Eine Folge der Operation war die Inkontinenz. Als Beizer kannst du dir sowas natürlich nicht leisten. Vier Wochen nach dem Eingriff begann ich mit dem Beckenbodentraining. Bereits nach dem vierten Termin riet mir die Physiotherapeutin, ich solle meine Binden nun mal weglassen. Psychologisch sei es wichtig, das Vertrauen in den Körper wiederaufzubauen. Und siehe da: Es ging. Das war eine grosse Erleichterung. Ein grösseres Tabuthema für die meisten Männer ist natürlich die Impotenz, die nach einem solchen Eingriff auftreten kann. Heute gibt es aber viele Hilfsmittel und auch Therapien dagegen.
Wenns mich heute irgendwo zwickt oder mich etwas schmerzt, ist der Krebs plötzlich wieder da. In Gedanken. Ansonsten denke ich nicht mehr daran. Ich will mir mein Leben nicht kaputt machen. Das Reden half mir sehr. Und manchem anderen vielleicht auch. Ich staunte, wie viele Männer auch schon einen solchen Eingriff hinter sich haben und bislang kaum je mit anderen darüber reden konnten.»
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Sich so fühlen, wie man ist
Die sexuelle Identität entwickelt sich bei den allermeisten Kindern und Jugendlichen binär. Das heisst: Sie fühlen sich klar als Mädchen oder Jungen. Rund ein halbes Prozent aber fühlt sich in den falschen Körper hineingeboren oder kann sich mit der zugeteilten Geschlechterrolle nicht identifizieren.
Kinder ordnen sich in der Regel klar einer Geschlechterkategorie zu. Sie sind entweder Jungen oder Mädchen, da andere Konzepte in ihrer Erfahrungswelt noch nicht existieren oder ihre Vorstellungskraft übersteigen. Es gibt jungenhafte Mädchen und mädchenhafte Jungen, Mädchen, die kurze Haare tragen und am liebsten mit Buben spielen und Jungen, welche die Farbe Rosarot mögen und lieber mit Puppen als Autos spielen. Genauso vielfältig also wie Kinder sich entwickeln, können auch die geschlechtsorientierten Ausprägungen sein – und alles innerhalb der sogenannten Norm. Das angeborene Geschlecht, die Geschlechtsidentität und die Geschlechterrolle stimmen überein.
Entwicklung beginnt im Kindesalter
Dann gibt es auch Kinder oder Jugendliche, die sich nicht mit ihrem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können – sie fühlen sich im falschen Körper oder in der falschen Geschlechterrolle. Dr. med. Anne-Catherine von Orelli hat als Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Solothurner Spitäler zunehmend mit Heranwachsenden zu tun, die sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Bei Weitem nicht alle Kinder, die im Kindesalter diese Empfindungen äussern, entwickeln im Verlauf eine Transidentität. Und doch gibt es Kinder und Jugendliche, bei denen diese Empfindung über die Jahre bestehen bleibt. Sie nennen sich Transgender. Oft steigt der Leidensdruck mit den körperlichen Veränderungen in der Pubertät deutlich an. Die Jugendlichen berichten über eine starke Ablehnung des eigenen Körpers, wenn die Brüste zu wachsen beginnen, die Menstruation einsetzt beziehungsweise die Körperbehaarung zunimmt und der Stimmbruch kommt.
Höhere gesellschaftliche Akzeptanz
Identitätskrisen gehörten zwar grundsätzlich zum Erwachsenwerden, so Anne-Catherine von Orelli. «Wenn es aber aufgrund der Transgender-Thematik zu zusätzlichen Konflikten mit der Familie, zu Diskriminierungen am Arbeitsplatz oder Schwierigkeiten mit Freundinnen und Freunden kommt, zeigt sich der psychische Leidensdruck bei diesen Jugendlichen oft sehr stark.» Aus Studien weiss man, dass Transmenschen häufiger von Depressionen oder Selbstverletzungen betroffen sind und eine höhere Suizidrate ausweisen, so Anne-Catherine von Orelli weiter. Deshalb sei es wichtig, Transjugendliche und deren Familien bei Bedarf fachlich zu unterstützen. «Wer eine Ansprechperson hat, sich verstanden fühlt und in seinem Umfeld Akzeptanz erlebt, hat meistens weniger Mühe mit seinem Erleben klarzukommen und sich gegebenenfalls zu outen.»
Die Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie nimmt wahr, dass viele Jugendliche mit dem Thema der Geschlechtsidentität heute entspannter umgehen können als noch vor zehn, zwanzig Jahren, «dank der LGBT-Bewegung wird das Thema offener und häufig diskutiert, was im Allgemeinen zu einer Sensibilisierung und damit zu einer höheren Akzeptanz in der Gesellschaft führt».
Kurz erklärt
Transgender. Oberbegriff für alle Menschen, die sich entweder mit ihrem angeborenen Geschlecht nicht identifizieren können oder sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.
Transfrau. Eine Frau, die mit männlichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurde, sich aber als Frau identifiziert.
Transmann. Ein Mann, der mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurde, sich aber als Mann identifiziert.
Transvestit. Sehr häufig werden Transmenschen mit Transvestiten verwechselt. Ein Transvestit ist ein Mensch, der sich als Mann oder Frau kleidet. Travestie, oft Männer, die als weibliche Sängerinnen auftreten, ist eine Kunstform. Im Gegensatz zu Transmenschen fühlen sich Transvestiten in der Regel aber wohl mit ihrem Geschlecht.
Hat Transgender etwas mit Sexualität zu tun? Nein. Die sexuelle Orientierung, also ob jemand beispielsweise homo- oder heterosexuell ist, ist unabhängig von der Geschlechteridentität.
Haben Transmenschen eine medizinische Behandlung hinter sich? Nur ein Teil unterzieht sich einer geschlechtsangleichenden Operation. Manche nehmen auf ärztliche Verordnung hin Hormone ein. Das weibliche Hormon bewirkt bei Männern etwa eine Feminisierung des Körpers mit weniger Haarwuchs in Gesicht und Körper, Abnahme der Hodengrösse, Abnahme von sexuellem Verlangen und Erektion. Das männliche Hormon bewirkt bei Frauen eine Maskulinisierung des Körpers. Dabei können etwa Barthaare wachsen, das Muskelwachstum zunehmen oder die Stimme tiefer werden.
Die rechtliche Situation
Jeder Mensch hat das Recht, entsprechend seiner Geschlechtsidentität zu leben. So darf (ausser im amtlichen Verkehr) der passende, selbstgewählte Name benutzt werden und es ist erlaubt, die Kleidung zu tragen, die einem entspricht. Um sein amtliches Geschlecht ändern zu lassen, braucht es heute noch ein langwieriges gerichtliches Verfahren und medizinische Untersuchungen. Auf Bundesebene ist nun jedoch eine Gesetzesänderung geplant, welche die amtliche Änderung des Vor-namens und den amtlichen Eintrag des Geschlechts massiv vereinfachen soll.
LGBT
Die Abkürzung LGBT oder auch LGBTIQ kommt aus dem englischen Sprachraum und ist die Abkürzung für Lesbian (lesbisch), Gay (schwul), Bisexual (bisexuell) und Transgender (Menschen, die sich mit ihrer angeborenen Geschlechterrolle nicht identifizieren können). Die zusätzlichen Abkürzungen I und Q stehen für Intersexual (Menschen mit weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen) und Queer (Sammelbegriff für Menschen ausserhalb der heterosexuellen oder binären Norm).
Nützliche Links
www.tngs.ch – Transgender Network Switzerland ist ein schweizweit tätiger Verein für Transmenschen.
www.milchjugend.ch – Jugendorganisation für alle dazwischen und ausserhalb.
www.du-bist-du.ch
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In der Notfallmedizin entscheiden manchmal wenige Minuten darüber, wie sich der weitere Krankheitsverlauf entwickelt. Deshalb muss eine Notfallmedizinerin, ein Notfallmediziner gut in der Diagnostik sein und rasch erfassen können, was hinter Bauchschmerzen, dem Kribbeln im Arm, Kopfweh oder dem Schwindel stecken könnte.
Nicht ganz einfach, wenn man bedenkt, dass bei derselben Erkrankung Männer und Frauen unterschiedliche Symptome zeigen. So haben Frauen etwa bei einem Herzinfarkt oft ganz andere Beschwerden als Männer. Dasselbe bei einem Schlaganfall, bei dem Frauen immer wieder Symptome wie Gliederschmerzen, Schluckbeschwerden oder Kurzatmigkeit zeigen können – die bei Männern seltener oder gar nicht auftreten.
Hingegen wird zum Beispiel die «Frauenkrankheit» Osteoporose, die Knochenbrüchigkeit, bei Männern zu wenig erkannt, weil sie viel seltener auftritt. «Die Medizin, die wir lernen, lernen wir aus Lehrbüchern, die vor allem auf Studien basieren, die fast ausschliesslich an Männern durchgeführt wurden», sagt Gregor Lindner, Chefarzt des Notfallzentrums des Bürgerspitals Solo thurn. Das heisst, bei vielen Erkrankungen gebe es schlicht zu wenig Daten, welche Symptome Frauen zeigen würden. «Wir brauchen in diesem Bereich unbedingt mehr Forschung», so Gregor Lindner.
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Weltweit treten rund 60 Prozent der Corona-Todesfälle bei Männern auf. Man weiss, dass sie grundsätzlich eine höhere Anfälligkeit für Infektionen haben können, so erkranken Männer etwa häufiger an Hepatitis A oder Tuberkulose als Frauen. Frauen haben genetisch bedingt ein besseres Immunsystem und sprechen ausserdem besser auf Impfungen an als Männer. Man führt das stärkere Immunsystem der Frauen darauf zurück, dass es im Falle einer Schwangerschaft auch das ungeborene Kind schützen muss. Frauen haben im Gegensatz zu Männern aber ein höheres Risiko einer Autoimmunerkrankung.
Viele Ärztinnen arbeiten im Notfall
Unterschiedliche Symptome zeigen, sei aber nur der eine Aspekt der Genderfrage. «Der andere», so der Chefarzt des Notfallzentrums, sei, «dass Ärztinnen ihre Patienten anders behandeln als Ärzte». So würden Ärztinnen oft mehr Zeit bei ihren Patientinnen und Patienten verbringen und mehr mit ihnen reden. «Aus Untersuchungen wissen wir, dass diese Patienten nicht nur eine höhere Zufriedenheit ausweisen, sondern auch eine geringere Sterblichkeit und eine tiefere Rehospitalisationsrate – sprich kein zweites Mal wegen derselben Erkrankung ins Spital kommen müssen.» Übrigens arbeiten in den meisten Notfallzentren etwa gleich viele Ärzte wie Ärztinnen – der Grund dafür liegt vermutlich in der guten Umsetzbarkeit von Teilzeitpensen.
Chronische Erkrankungen bei Männern und Frauen
Erkrankung
Arthrose und rheumatische Arthritis
Heuschnupfen, Allergien
Depression
Asthma
Osteoporose
Krebs
Chronische Bronchitis
Herzinfarkt
Schlaganfall
Frauen %
18,6
25,7
7,9
5,6
5,4
1,5
2,6
0,3
0,4
Männer %
10,2
22,2
5,3
4,6
0,8
1,8
2,1
0,7
0,4
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Das Essverhalten von Männern und Frauen ist gender. Auf den Punkt gebracht: Männer essen fettreicher, mehr Fleisch, weniger Früchte und sie trinken mehr Alkohol. Und: Sie finden ihr Übergewicht in der Regel weniger problematisch als Frauen. Frauen hingegen essen mehr Früchte und Gemüse und gesamthaft weniger Fleisch. Sie beschäftigen sich aber eher mit ihrem Übergewicht als Männer. Deshalb sind auch rund 80 Prozent der übergewichtigen Patienten, die eine Ernährungsberatung aufsuchen, weiblich – obwohl im Bevölkerungsdurchschnitt mehr Männer übergewichtig sind.
Birne oder Bierbauch
«Männer und Frauen haben unterschiedliche Essgewohnheiten, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass Männer aufgrund ihrer Körperkonstitution mehr essen müssen», so Cornelia Albrecht. Denn Männer haben einen höheren Anteil an Muskelmasse, was die Verbrennung erhöht. Sie haben jedoch die Tendenz, mehr Bauchfett anzusammeln, wenn sie zu viel Energie aufnehmen. Das führt häufiger zu Diabetes, Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Frauen hingegen haben biologisch einen höheren Fettanteil als Männer, dadurch eine schlechtere Verbrennung und eine stärkere Neigung zur Fettansammlung in den unteren Körperregionen, was zur sogenannten Birnenform führt. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hat dabei auch der weibliche Zyklus, sprich die Hormone. So steigt zum Beispiel die Lust auf Süssigkeiten vor der Menstruation in der Regel an, und nach der Menopause verändert sich auch der Stoffwechsel der Frauen.
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Geschlechterspezifische Unterschiede zeigten sich auch in der Beratung, so Cornelia Albrecht. Männer reagieren oft pragmatisch und wollen wissen, wie viel sie wann essen müssen, um abzunehmen. Frauen hingegen suchen einen differenzierteren Weg, essen kontrollierter und vielfältiger. «Das hat vermutlich damit zu tun», so die Ernährungsberaterin, «dass Frauen sich schon immer um die Beschaffung, Erzeugung und Zubereitung der Nahrungsmittel gekümmert haben.»
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- Bewegung im Alltag, Kraft- und Ausdauersport sind für Männer und Frauen sehr wichtig. Je mehr sich der Körper bewegt, desto höher ist der Stoffwechsel.
- Dem Heisshunger auf den Grund gehen. Oft fehlen dem Körper gewisse Nährstoffe, wenn ein häufiger Heisshunger (z. B. auf zuckerhaltige Lebensmittel) besteht.
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Anders und doch gleich
GENDERMEDIZIN
Anders und doch gleich
Männer werden anders krank als Frauen und Frauen anders gesund als Männer. In vielen Bereichen der Medizin bestehen grosse Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Männer habens schwer. Gerade in der Erkältungszeit müssen sie nebst einer Erkältung sich auch noch hämische Sprüche über Männerschnupfen anhören. Obwohl es tatsächlich Männer gibt, die bei leichten Erkältungen am liebsten eine intensivmedizinische Betreuung verlangen, soll das nicht darüber hinwegtäuschen, dass alleine schon Grippeerkrankungen bei Männern oft schwerer verlaufen als bei Frauen. An Covid-19 erkranken Frauen zwar auch immer wieder schwer, Männer jedoch etwas mehr. Die exakten Gründe sind noch unbekannt, man geht jedoch davon aus, dass Frauen ein stärkeres Immunsystem haben als Männer. Dieses starke Immunsystem kann bei Frauen wiederum mit fehlgeleiteter Immunantwort einhergehen und zu Autoimmunerkrankungen führen – Krankheiten, die sich gegen verschiedene Organe im Körper richten.
Gendermedizin
Eine Medizin, die Männern und Frauen gerecht wird, berücksichtigt die geschlechterspezifischen Unterschiede. Lange Zeit war der Mann der medizinische Prototyp – als Patient, Arzt und Forscher.
Das hat sich geändert.
Intensive Forschung im Bereich Gender
In vielen Bereichen der Medizin gibt es grosse Unterschiede zwischen Mann und Frau. Die sogenannte Gendermedizin wird derzeit intensiv erforscht. Gemäss der Schweizerischen Ärztezeitung fand man in einer Studie des Zürcher Triemlispitals kürzlich heraus, dass bei einem Herzinfarkt Frauen länger zögern als Männer, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Grund für den fatalen Zeitverlust sei, dass bei Frauen häufig andere Symptome auftreten als bei Männern (siehe auch Seite 12).
Ein anderes Beispiel: Man stellte fest, dass sich bei Frauen die morgendlichen Autounfälle häuften, nachdem sie am Vorabend ein Schlafmittel eingenommen hatten. Der Hintergrund dabei: Frauen bauen Wirkstoffe meistens langsamer ab als Männer, was in der Zulassungsstudie des Medikaments zu wenig berücksichtigt worden ist, da das Medikament vorwiegend an Männern getestet wurde. Das Interesse an der Forschung in diesem Bereich nimmt zu. Gemäss der Schweizerischen Ärztezeitung werden jährlich 8000 bis 9000 wissenschaftliche Artikel zum Thema Sex und Gender publiziert.
Einige Unterschiede
- Hormone. Geschlechtshormone lassen Männer und Frauen nicht nur anders sein und aussehen, sondern beeinflussen auch das Immunsystem, den Stoffwechsel und die Funktion der Organe.
- Leber. Die Leber ist bei Frauen kleiner und manche Enzyme sind unterschiedlich aktiv. Deshalb vertragen Frauen den Alkohol meist schlechter als Männer oder bauen Arzneimittelwirkstoffe anders ab.
- Herz. Bei Frauen zeigt der Herzinfarkt im Vergleich zu Männern andere Symptome. Während bei Männern häufig ein Engegefühl in der Brust auftritt, können Frauen übermässig erschöpft sein, Schmerzen im Oberbauch haben oder Übelkeit verspüren.
- Darm. Der weibliche Darm arbeitet meistens etwas langsamer als der männliche. Schädliche Substanzen haben deshalb mehr Zeit, die Darmwand anzugreifen. Das Reizdarmsyndrom etwa ist eine Krankheit, die häufig bei Frauen anzutreffen ist.
- Knochen. Brüchige Knochen (Osteoporose) sind nicht nur ein Frauenproblem. Auch Männer erkranken daran. Nur wird das bei Männern häufig nicht erkannt.
Typisch Frau, typisch Mann
Biologisch gesehen sind Frauen kleiner und leichter als Männer, sie haben mehr Fettgewebe, weniger Muskelmasse und kleinere Organe. Sie nehmen Schmerz anders wahr und ihr Stoffwechsel verläuft anders. Gemäss Prof. Cathérine Gebhard, die am Universitätsspital Zürich zum Thema geschlechterspezifische Medizin forscht, gibt es auf der Seite der Medizin in manchen Bereichen immer noch eine fehlende Geschlechtssensibilität. Das kann auch zu negativen Folgen für Männer führen. So werden etwa Depressionen, Essstörungen oder Osteoporose (Knochenbrüchigkeit) oft als typische Frauenkrankheiten wahrgenommen und bei Männern seltener diagnostiziert. Deshalb sei Osteoporose beim Mann etwa eines der am meisten vernachlässigten Krankheitsbilder Europas.
Die Gendermedizin ist im Vergleich mit anderen medizinischen Gebieten noch relativ jung. Es zeigt sich aber immer mehr, dass die Berücksichtigung von Geschlechtsunterschieden bei Diagnose und Behandlung zu einer individualisierten und damit besseren Medizin führt.
Biologisches oder soziales Geschlecht
Das biologische Geschlecht (englisch: sex) wird durch die Geschlechts-Chromosomen festgelegt und definiert anhand der Geschlechtsmerkmale, ob wir Mann oder Frau sind oder in seltenen -Fällen keine eindeutig ausgeprägten Geschlechtsmerkmale haben. Das soziale oder kulturelle Geschlecht (englisch: gender) bezeichnet das Geschlecht, das jemand lebt (Rollenverständnis).
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SPORTLICHE LEISTUNGEN VON MÄNNERN UND FRAUEN
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Die Schweiz wird immer sportlicher. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass immer mehr Frauen Sport treiben. Doch was unterscheidet die Geschlechter? Ein Gespräch mit Sportmediziner Dr. med. Andreas Gösele.
Sind Frauen gleich sportlich wie Männer?
Heutzutage ja. Das hat sich aber erst in den letzten Jahren verändert. Wir sehen im Breiten- und Spitzensport, dass Frauen bezüglich Trainingsumfang und -häufigkeit langsam aber sicher mit den Männern gleichziehen. Das war vor 20 Jahren noch anders. Einzig bei der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen und bei den Männern über 60 sind die Männer bezüglich Trainingshäufigkeit in der Mehrzahl.
Gibt es Sportarten, bei denen Frauen bessere Voraussetzungen haben als Männer?
Vor allem bei ästhetischen Sportarten wie Sportgymnastik, Turnen oder Eiskunstlauf haben Frauen deutlich bessere Voraussetzungen, da sie meistens beweglicher sind. Grund dafür ist das Weiblichkeitshormon Östrogen, welches die Gelenke, Muskulatur und Bänder dehnbarer macht. Wir merken das übrigens auch bei Verletzungen, dass sich Frauen in Abhängigkeit vom Monatszyklus in der Phase vor und um den Eisprung mehr verletzen als sonst. Aber keine Regel ohne Ausnahmen. Vergleiche ich eine Fussballerin mit einem Kunstturner, so ist es bezüglich der Beweglichkeit natürlich umgekehrt.
Und bei welchen Sportarten haben Männer die besseren Voraussetzungen?
Das lässt sich einfach erklären: In allen Sportarten, bei denen eine hohe Bereitstellung an schneller Kraft gefragt ist. Eine Frau wird zum Beispiel nie in der Lage sein, beim 100-Meter-Lauf dieselbe Zeit zu rennen wie ein Mann. Dasselbe sehen wir beim Weit- oder Hochsprung, wo Männer ganz andere Weiten beziehungsweise Höhen erreichen als Frauen. Aber im Langstreckenbereich schwinden die Unterschiede immer stärker. Dort nähern sich Frauen mehr und mehr den Leistungen der Männer an. Der Grund liegt auch hier im gesteigerten Trainingsvolumen.
Sollten Frauen andere Sportarten ausüben als Männer?
Nein. Alle Sportarten sind für beide Geschlechter gleich gut machbar. Vor der Pubertät übrigens sind in einer gemischten Sportklasse oft die Mädchen den Jungs voraus. Bei Knaben kommt erst mit der Pubertät die Ausprägung der Muskulatur.
Trainieren Männer und Frauen unterschiedlich?
Beim Trainingsverhalten hat man den Eindruck, dass Frauen unter sportmedizinischen Gesichtspunkten besser trainieren als Männer. Männer überlasten sich öfters, wollen körperliche Grenzen erreichen, ins Schwitzen kommen, durchbeissen und so weiter. Trainingsphysiologisch macht das aber keinen Sinn. Im Profisport sind die Trainingsunterschiede zwischen den Geschlechtern kaum vorhanden, da dort professionelle Trainingspläne befolgt werden.
Gibt es in der sportmedizinischen Behandlung genderspezifische Aspekte?
Nein. Ein Band ist ein Band, eine Verletzung ist eine Verletzung. Was wir aber sehen, ist, dass sich Männer im Sport oft risikoreicher verhalten und deshalb häufiger verletzt sind. Vor allem Männer zwischen 20 und 30 Jahren. Bei den Überlastungsschäden gibt es wiederum keine Unterschiede.
Dr. med. Andreas Gösele
ist Sportmediziner und Leiter des Swiss Olympic Medical Centers der crossklinik (Basel und Spital Dornach). Er nahm als Olympiaarzt der Schweizer Athletinnen und Athleten an zahlreichen olympischen Spielen teil (Sydney, Athen, Turin, Peking, Vancouver, London). Privat ist er ein leidenschaftlicher Rennrad- und Skifahrer.
Ausdauer: So trainieren Sie richtig
Dr. med. Andreas Gösele hat eine klare Antwort auf die Frage, wie man seine Ausdauer steigert: «Durch die Regelmässigkeit.» Nur am Wochenende beim Joggen Vollgas zu geben, mache keinen Sinn. Es brauche Regelmässigkeit im Trainingsplan. Und dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Regeneration, also die Erholung, zu einem guten Training gehöre. Als zweiten Tipp verweist der Sportmediziner auf die Vielfältigkeit im Training: «Rennen Sie mal schnell, mal langsam, mal bergauf oder bergab, gehen Sie auch ins Gelände statt nur auf Strassen zu joggen.» Und drittens: «Üben Sie nie nur eine einzige Sportart aus.» Ausdauertraining ist gut, aber auch Kraft, Beweglichkeit und Koordination wollen trainiert werden, zum Beispiel mit Gymnastik oder Krafttraining.
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3 FRAGEN AN DIE RETTUNGSSANITÄTERIN
«Auch Männer sollten nicht zu schwer tragen»
Corinne Zemp, warum sind Sie Rettungssanitäterin geworden?
Ich wusste bereits bei meiner Ausbildung zur Pflegefachfrau, dass ich in den Rettungsdienst wollte. Mich reizt das Unbekannte, das Draussensein, dass man nie weiss, was einen erwartet, dass die Tage nicht planbar sind. Als Rettungssanitäterin treffe ich regelmässig auf Menschen in ausserordentlichen Situationen, die unter Stress stehen. Wenn es mir gelingt, ihnen ein wenig von der Angst zu nehmen und sie zu unterstützen, so erfüllt mich das mit einer grossen Befriedigung.
Frauen im Rettungsdienst sind keine Minderheit mehr. Was sagen die Patienten oder Angehörigen, wenn Sie als reines Frauenteam unterwegs sind?
Wir haben zumeist sehr positive Reaktionen. Hin und wieder werden wir gefragt, ob wir überhaupt in der Lage seien, einen schweren Patienten auf der Bahre zu tragen. Das ist für uns aber keine Frage der Kraft, sondern der Organisation. Erstens haben wir heute zahlreiche Hilfsmittel, wie etwa den Treppenstuhl. Und wenn es wirklich darum geht, eine schwere Person über eine längere Strecke tragen zu müssen, bieten wir eine zweite Equipe auf oder wir holen uns Hilfe. Bei einem Unfall etwa sind immer auch Polizistinnen und Polizisten oder Feuerwehrleute vor Ort. Und übrigens: Schwach sind wir also auch nicht. Übrigens sollten auch Männer nie zu schwer tragen – denn ohne gesunden Rücken kann man diesen Beruf nicht mehr ausüben.
Können Rettungssanitäterinnen etwas besser als Männer?
Schwer zu sagen. Vielleicht sind wir ein wenig feinfühliger? Grundsätzlich aber bin ich gerne als gemischtes Team unterwegs. Beide Geschlechter bringen ihre Eigenschaften mit. Bei manchen Patientinnen oder Patienten kann ich als Frau eher Vertrauen aufbauen und umgekehrt genauso. Wir erleben immer wieder bei aggressiven Patienten, dass sie sich durch ein gemischtes Team meistens rascher beruhigen lassen als bei einem gleichgeschlechtlichen Team. Wir ergänzen uns also.
Die diplomierte Rettungssanitäterin Corinne Zemp ist gelernte Pflegefachfrau und arbeitet seit etwas mehr als zwei Jahren im Rettungsdienst der Solothurner Spitäler. Sie ist auch in der freiwilligen Feuerwehr tätig.
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Es gibt den viel gehörten Spruch: Müssten Männer Kinder gebären, so wäre die Menschheit längst ausgestorben. Tatsache aber ist, dass Männer Schmerzen grundsätzlich besser aushalten können als Frauen. Untersuchungen, bei denen Männern und Frauen mit Druck und Hitze Schmerzen zugefügt werden, zeigen, dass Männer eher in der Lage sind, schmerzstillende körpereigene Botenstoffe auszuschütten als Frauen. «Man muss wohl das Bild revidieren, dass Männer schmerzempfindlicher seien als Frauen, es ist eher umgekehrt», sagt Sascha Mandic, stellvertretender Chefarzt der Anästhesie des Kantonsspitals Olten und Schmerztherapeut. Bei Messungen der Hirnströme zeigte sich auch, dass beim selben Schmerz bei Frauen andere Hirnareale aktiv würden als bei Männern.
Frauen äussern sich differenzierter
Schmerz ist aber nicht gleich Schmerz. Es sei wichtig, einen Unterschied zwischen akutem Schmerz zu machen, der nach paar Wochen mehr und mehr abklinge, und dem chronischen Schmerz. «Beim akuten Schmerz gibt es nur wenig geschlechterspezifische Unterschiede in der Schmerzbehandlung», so Mandic. Grössere Geschlechterunterschiede zeigten sich aber bei einer Vielzahl von chronischen Schmerzerkrankungen, die bei Frauen allgemein häufiger auftreten als bei Männern. Nicht immer ist bei chronischen Schmerzen die Ursache medizinisch klar. «Der Schmerz ist für diese Menschen aber real, denn ihre körpereigenen Systeme sind in solchen Fällen nicht in der Lage, den Schmerz zu unterdrücken.» Typische chronische Schmerzerkrankungen, welche bei Frauen etwa zwei- bis dreimal häufiger vorkommen, sind die Migräne, das Reizdarmsyndrom oder die Rheumatoide Arthritis. Frauen entwickeln dabei auch häufiger Begleitsymptome wie zum Beispiel Angst oder Schlafstörungen und Depressionen.
Frauen setzen sich aber auch anders mit dem Thema Schmerz auseinander: «Sie können meistens viel differenzierter und exakter ihr Leiden beschreiben als Männer und sind in der Regel offener gegenüber einem ganzheitlichen Ansatz in der Therapie», sagt Schmerztherapeut Sascha Mandic. Männer verlangten rascher nach einer Intervention in Form einer Spritze oder eines Eingriffs, Frauen nutzten auch komplementäre Angebote wie Akupunktur, Massage oder Psychotherapie.
Genderspezifische Unterschiede bei Schmerzen
Frauen
- suchen eher eine Ärztin oder einen Arzt auf
- können den Schmerz differenziert beschreiben
- sind offener für ganzheitliche Therapien
- leiden zwei- bis dreimal häufiger an gewissen chronischen Schmerzerkrankungen
- haben eine geringere körpereigene (endogene) Schmerzhemmung
Männer
- neigen eher dazu, den Schmerz zu tolerieren
- suchen eher den Weg der Selbstbehandlung
- verlangen beim Arztbesuch rascher nach einer Schmerzspritze
- neigen aufgrund von Schmerzen eher zu einer Suchtmittelabhängigkeit und gesteigerter Aggressivität
- haben eine stärkere körpereigene Schmerzhemmung
Zu wenig spezifische Medikamente für Frauen
«Das Bewusstsein, dass Frauen schmerztherapeutisch anders behandelt werden sollten, kommt mehr und mehr», sagt Sascha Mandic. Ein grosser Aufholbedarf bestehe vor allem bei der Erforschung von Schmerzmedikamenten. «Studien, wie Schmerzmedikamente wirken, wurden bis vor 20, 30 Jahren fast ausschliesslich an Männern gemacht. Heute aber wissen wir, dass Frauen aufgrund vieler Faktoren ganz anders auf Medikamente ansprechen als Männer.» Opiumhaltige Schmerzmittel etwa wie Morphin wirken bei Frauen verzögert, dafür stärker und lassen später nach. Frauen reagieren auch häufiger mit Übelkeit als Männer. Frauen weisen deshalb auch ein höheres Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen von Arzneimitteln auf. «Bei der Entwicklung von genderspezifischen Medikamenten stehen wir erst am Anfang, es gibt bis heute noch kein genderspezifisches Schmerzmittel», so Sascha Mandic.
Körpereigene Schmerzhemmung bei der Geburt
Während der Schwangerschaft wird das körper-eigene System der Frau zur Schmerzhemmung gegen Ende der Schwangerschaft immer stärker. Der Grund dafür sind die veränderten Hormonspiegel. Während der Geburt ist dieses System stärker aktiviert, damit der Geburtsschmerz ausgehalten werden kann. Nach der Geburt gehen die Hormonspiegel wieder in den ursprünglichen Zustand zurück.
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