Portrait von Spitalschwester Verena

Seelsorgerin aus Berufung

Portrait von Spitalschwester Verena

LEBENSENDE

Seelsorgerin aus Berufung

Schwester Verena ist Ordensschwester der Spitalschwesterngemeinschaft. Als solche begleitet sie
Sterbende, betreut Freiwillige und hilft, wo sie kann.

«Da sein, Zeit haben. Für die Sterbenden und gerade auch für die Angehörigen», so Schwester Verena ,«dies ist wohl meine eigentliche Aufgabe.»

«Für mich ist Sterben wie eine Geburt in ein neues Leben, von dem wir keine Ahnung haben, wie es ist. Sterbende sollten nicht alleine sein und ich bin gerne für diese Menschen da. Es ist ein Prozess und das Abschiednehmen nicht immer einfach. Ich sage jeweils: ‹Habt ja keine Angst vor dem Tod! Legt eure Wut und die Angst ab und vertraut darauf, dass ihr in Frieden gehen könnt.› »


Weitere Beiträge

Einblick in die Palliativstation

Wie sich die Sprache verändern kann

Die Sprache der Sterbenden verändert sich. Für Angehörige kann es schwierig sein, diese Veränderung zu akzeptieren und die ungewohnten Worte des vertrauten Menschen richtig einzuordnen.

Pinsel auf Gemälde

Kunsttherapie in der Palliative Care

Esther Widmer arbeitet als Kunsttherapeutin in der Palliativstation des Kantonsspitals Olten. Was als Pilotprojekt begann, hat sich in der Zwischenzeit etabliert. Die Patientinnen und Patienten haben dort die Möglichkeit zu malen oder sie „diktieren“ der Therapeutin ihre Bilder.

Palliativmediziner Dr. med. Manuel Jungi mit farbigen Tüchern im Hintergrund.

Der Anfang vom Ende…

…oder das Ende vom Schmerz. Palliative Care wird oft mit Sterbebegleitung verwechselt, ist aber viel mehr. Palliative Care heisst: Ja sagen zum Leben; auch wenn sein Ende absehbar wird. Ein Besuch auf der Palliativstation des Kantonsspitals Olten.


Patientin und Therapeutin auf der Palliativstation

Jeder Mensch stirbt seinen eigenen Tod

Bücher in der Palliativstation

LEBENSENDE

Jeder Mensch stirbt seinen eigenen Tod

Im Sterben geht der unverwechselbare persönliche Lebensweg eines Menschen zu Ende. Es gibt kein Durchlaufen von Sterbephasen in einer bestimmten Reihenfolge, wie man dies lange Zeit vertreten hat. Viele Hinweise auf mögliche Reaktionen eines Menschen ergeben sich vielmehr aus seiner Lebensgeschichte.

So können Angehörige und Freunde, die die Vorlieben wie auch die Abneigungen des Sterbenden kennen, ihm auf seinem letzten Weg manchmal besser helfen als «Fremde», mögen diese auch fachlich noch so kompetent sein. Bei den «Seinen » fühlt sich der Sterbende gut aufgehoben und verstanden. Oft ist er noch bis wenige Stunden vor seinem Tod ansprechbar.

Trotzdem ist es auch für die Angehörigen gut zu wissen, welche Veränderungen des Sterbenden auf ein baldiges Lebensende hinweisen können. Es sind nur Anhaltspunkte, die so nicht in jedem Fall auftreten müssen.

Allgemeine Veränderungen im Verhalten der Kranken

  • Die körperliche Energie schwindet. Es verstärkt sich das Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf. Das Interesse an der Umwelt (Zeitung, Fernsehen, Besuche von Bekannten) lässt nach.
  • Eine Unruhe kann auftreten. Die Patienten zupfen dauernd am Betttuch, decken sich immer wieder ab, bewegen fahrig Arme und Beine, greifen mit den Händen in die Luft. Es beruhigt sie dann, einen Menschen an ihrer Seite zu spüren – durch Berühren und ruhiges Ansprechen. In manchen Situationen ist es notwendig, eine starke Unruhe mit Medikamenten zu behandeln.
  • Einen oder wenige Tage vor dem Tod blühen manche Menschen noch einmal auf. Es scheint ihnen besser zu gehen, sie sind plötzlich «ganz klar», haben Appetit auf die Lieblingsspeise, möchten noch einmal aus dem Bett oder fragen nach einem bestimmten Besuch.
  • Manche sagen, sie würden nicht schlafen, wenn sie die Augen geschlossen halten, aber die Schwäche sei so gross. Es kann deshalb wichtig sein, sich in der Begleitung so zu verhalten, als ob der Kranke wach wäre, und ihm vom Alltag zu erzählen, den Lieblingsteil der Tageszeitung vorzulesen, eine schöne Musik anzuhören oder selber etwas vorzusingen.
  • Viele halten in dieser Phase auch Rückschau, und es scheint, als ob sie schliefen. Jedes Wort oder schon eine leichte Berührung kann dann für sie unangenehm sein und stören. Es kann aber auch sein, dass eine haltende Hand gerade die richtige Hilfe ist. Vorsichtiges Fragen kann hier Klarheit schaffen.
  • Von Patienten, die aus dem Koma aufgewacht sind, wissen wir, dass Menschen in diesem Zustand alles genau hören können, dass sie für alles sehr empfänglich sind. Es gilt deshalb, selbst «ganz Ohr» für sie zu sein.
  • Es kann sein, dass die Stimme kraftloser wird. Man muss dann sehr nah mit dem Ohr an den Mund des Sterbenden herangehen, auf seine Lippenbewegungen achten, für ein «Ja» und «Nein» kleine Zeichen vereinbaren, zum Beispiel: ein- beziehungsweise zweimal die Hand drücken.

Patientin und Therapeutin auf der Palliativstation

Weitere körperliche Veränderungen

Die weiteren körperlichen Veränderungen, die auf den nahen Tod hinweisen können, lassen sich noch genauer beschreiben.

Im Bewusstsein lässt sich ein Wandel feststellen
  • Manche Menschen scheinen im Halbschlaf oder Schlaf «schon weit weg» zu sein. Beim Erwachen erkennen sie die Umgebung nicht sofort, sprechen über Unbekannte oder Bekannte, die bereits verstorben sind. Die Augen blicken in weite Ferne, der Blick wirkt getrübt. Auf keinen Fall sollten Sie dann versuchen, den Kranken «aus dieser Welt» herauszureissen. Er fühlt sich aber gut aufgehoben, wenn Sie ihm zuhören und auf seine Vorstellungen einzugehen versuchen, auch wenn sie ihnen sehr fremd erscheinen.
  • Das Bewusstsein kann sich trüben. Das Erleben stimmt objektiv gesehen nicht mit dem aktuellen Geschehen überein. Verhalten Sie sich weiter ganz normal und reden Sie so, als sei der Betroffene bei normalem, klarem Bewusstsein. In der Regel führt der Versuch, die Wahrnehmung des Kranken zu «berichtigen» zu grosser Unruhe, hat aber keinen Einfluss auf die veränderte Wahrnehmungsfähigkeit.
Der Kreislauf verändert sich
  • Mit der Veränderung des Kreislaufs ändert sich auch die Durchblutung. Der Puls wird schwach und zugleich schneller.
  • Die Körpertemperatur sinkt, Arme und Beine kühlen ab. Warme Socken und eine Wärmflasche empfinden Kranke deshalb in dieser Situation als angenehm.
  • Manchmal tritt starkes Schwitzen auf. Eine dünne Decke oder ein Leinentuch verschaffen dann Erleichterung. Unter dem Stichwort Körperpflege finden Sie Hinweise, wie z.B. durch bestimmte Waschungen das Schwitzen gelindert werden kann.
Im Atmen ist eine Veränderung festzustellen
  • Die einzelnen Atemzüge werden schneller und flacher oder viel langsamer. Manchmal treten grösser werdende Atempausen auf, oder der Atem wird ganz unregelmässig.
  • In den Atemwegen befindet sich immer eine Schleimschicht, um die Atemluft anzufeuchten. Durch die zunehmende Schwäche können die Patienten vor ihrem Tod diesen Schleim häufig nicht mehr abhusten. Es entsteht ein rasselndes Atemgeräusch, das den Sterbenden nicht beeinträchtigt. Auf umstehende Personen wirkt die Veränderung dagegen häufig beunruhigend oder beklemmend. Es kann helfen, den Kopf und Oberkörper höher zu lagern. Auch eine Seitenlage oder ein Kissen unter den Armen kann Entlastung bringen.
  • Wenn sehr viel Schleim gebildet wird, ist ein Gespräch mit dem Hausarzt erforderlich. Vielleicht müssen zusätzliche Medikamente eingesetzt oder eine zu hohe Flüssigkeitsgabe abgesetzt werden. In der Regel ist es nicht notwendig, Menschen so kurz vor ihrem Lebensende noch den Schleim abzusaugen. Denn das ist sehr unangenehm, hilft nur eine kurze Zeit und fördert sogar die Bildung von neuem Sekret.
Hunger und Durst lassen nach
  • Viele Menschen möchten in den letzten Tagen nur noch ganz wenig oder nichts mehr essen. Wir wissen, dass der Sterbeprozess durch eine erhöhte Kalorien- oder Flüssigkeitszufuhr häufig erschwert werden kann.
  • Es ist aber sinnvoll und hilfreich, eine gute Mundpflege durchzuführen, und dabei die Mundschleimhaut anzufeuchten. Wenn der Patient noch trinken kann, kann man ihm immer kleine Mengen zum Trinken anbieten. Unter den Stichworten «Wie wir den Kranken mit Essen und Trinken versorgen können» und «Warum regelmässige Mundpflege wichtig ist» finden Sie weitere Hinweise.
Im Stoffwechsel sind Veränderungen wahrnehmbar
  • Manchmal tritt durch den veränderten Stoffwechsel im Sterbezimmer ein besonderer Geruch auf. Wenn er als unangenehm empfunden wird, lässt er sich durch den Gebrauch von Räucherstäbchen, ätherischen Ölen, Duftlampen oder einer parfümierten Körpermilch abschwächen. Ein regelmässiges Lüften des Zimmers reicht manchmal nicht aus.
  • Die Nierenfunktion verändert sich. Die Menge des Urins wird geringer. Der Urin scheint dadurch dunkler und riecht etwas strenger. Es kann helfen, eine häufigere Intimpflege durchzuführen, ein gut riechendes Deo bzw. eine Hautlotion zu verwenden oder durch die oben genannten Möglichkeiten die Raumluft zu verbessern.

Wie viel Zeit bleibt noch?

Diese Frage wird häufig gestellt, wenn sich die genannten Veränderungen einstellen. Eine genaue Antwort darauf kann niemand geben. Es gibt allerdings einige – aus der Erfahrung gewonnene – Anzeichen, die darauf hindeuten, dass der Tod unmittelbar bevorstehen könnte:

  • Die Augen wirken eingefallen und tiefer. Der Blick ist in die Weite gerichtet. Die Pupillen reagieren immer weniger auf Licht.
  • Der Mund steht offen, weil die Muskulatur schlaffer wird.
  • Die Gesichtsfarbe ändert sich. Die meisten Menschen haben dann eine etwas gräuliche Gesichtsfarbe, besonders um Mund und Nase.
  • An der Körperunterseite, an den Händen und Füssen bilden sich dunkle Flecken.
  • Der Puls wird immer schwächer und die Atempausen werden immer länger.

Wenn Herzschlag und Atem aufhören, tritt der Tod ein. Auf den anscheinend allerletzten Atemzug können manchmal noch ein oder zwei weitere folgen.

Ob ein Mensch sein Sterben akzeptiert hat oder nicht – oft gibt es schon vor dem Tod einen Zeitpunkt, an dem er seinen Frieden findet. Manchmal tritt diese Wandlung auch erst in den letzten Augenblicken des Lebens ein. Eine Wandlung, die wir nicht erklären oder verstehen, sondern nur erahnen und auf dem Gesicht des Verstorbenen wahrnehmen können. Eine Wandlung, die ihn über Ängste und Verzweiflung, die vielleicht bis zu diesem Zeitpunkt bestanden, hinüberhebt. Mühselige Kämpfe, unsagbar schweres Loslassen liegen hinter dem sterbenden Menschen und geben einem Ausdruck von Frieden und Gelöstheit Raum. In den meisten Situationen wird der Augenblick des Todes viel ruhiger erlebt als zuvor befürchtet.

Manche Angehörigen sind gerade im Augenblick des Todes nicht bei ihrem Sterbenden und haben dann das Gefühl: «Jetzt habe ich ihn/sie im Stich gelassen, gerade im wichtigsten Moment habe ich ihn/sie allein gelassen! Warum bin ich nicht doch noch geblieben? Warum habe ich denn nicht gespürt, dass das Ende naht?». Es geschieht öfter, dass ein Sterbender genau in dem Moment geht, in dem er alleine ist. Vielleicht fällt es ihm so leichter, sich von dieser Welt und von den geliebten Menschen zu lösen? Nur manchmal wird es uns geschenkt, dabei zu sein und im friedlich, entspannten Gesicht des Sterbenden im Augenblick des Todes etwas von der Welt zu erahnen, in die hinein er von uns geschieden ist.


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Portrait von Spitalschwester Verena

Seelsorgerin aus Berufung

Sie begleitet Patienten in ihren letzten Stunden. Und die Angehörigen meist gar über den Tod hinaus: Ordensschwester Verena.

Palliativmediziner Dr. med. Manuel Jungi mit farbigen Tüchern im Hintergrund.

Der Anfang vom Ende…

…oder das Ende vom Schmerz. Palliative Care wird oft mit Sterbebegleitung verwechselt, ist aber viel mehr. Palliative Care heisst: Ja sagen zum Leben; auch wenn sein Ende absehbar wird. Ein Besuch auf der Palliativstation des Kantonsspitals Olten.

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Pinsel auf Gemälde

Kunsttherapie in der Palliative Care

Pinsel auf Gemälde

PALLIATIVE CARE

Kunsttherapie in der Palliative Care

Esther Widmer arbeitet als Kunsttherapeutin in der Palliativstation des Kantonsspitals Olten. Was als Pilotprojekt begann, hat sich in der Zwischenzeit etabliert. Die Patientinnen und Patienten haben dort die Möglichkeit zu malen oder sie „diktieren“ der Therapeutin ihre Bilder.

Im Frühling 2012 eröffnete das Kantonsspital Olten eine Palliativstation als Pilotprojekt. Im Herbst begann ich mit dem Aufbau eines Angebots für Kunsttherapie. Die Station wurde seither von sechs auf neun Betten ausgebaut und zertifiziert. Die Kunsttherapie ist ein fester Bestandteil des Therapieangebots geworden. Als ausgebildete Kunsttherapeutin in der Fachrichtung Malen und Gestalten bevorzuge ich Farben, Papier und Pinsel als Arbeitsmittel. In der Zwischenzeit sind jedoch verschiedene Klanginstrumente wie das Didgeridoo oder die Klangschale als Alternative dazugekommen.

Die Palliativstation

Die Station ist kein Hospiz und keine Pflegeabteilung mit Langzeitaufenthalten. Es werden erwachsene Patientinnen und Patienten behandelt, die im Laufe einer unheilbaren Krankheit eine Krise erleben. Man geht davon aus, dass eine solche Krise innerhalb von zwei bis drei Wochen von einem multiprofessionellen Team gelöst werden kann. Die Patientinnen und Patienten gehen danach mit entsprechend mehr Hilfe wieder nach Hause, in ein Pflegeheim oder in ein Hospiz. Verschlechtert sich der Zustand eines Erkrankten so, dass er nicht mehr verlegt werden kann, bleibt er bis zum Tod auf der Station.

Die Patientinnen und Patienten kommen mit schwerwiegenden, die Lebensqualität einschränkenden Symptomen wie Schmerzen, Übelkeit, Atemnot, extremer Schwäche und Erschöpfung. Oft sind sie psychisch belastet, ebenso ihre Angehörigen. Die relativ kurze Aufenthaltsdauer wie auch die Komplexität der Symptome haben einen Einfluss darauf wie in der Kunsttherapie gearbeitet werden kann.

Lebensqualität…

…ist das Schlüsselwort für die Zielsetzung der Kunsttherapie in der Palliative Care. Wie kann ich dazu beitragen, die individuelle Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu erhöhen? Das war und bleibt dabei meine zentrale Fragestellung.

Manchmal sehe ich eine Patientin oder einen Patienten zwei bis drei Mal, vielleicht auch nur ein einziges Mal. Ich muss also einen schnellen Zugang zu den Betroffenen finden können. Sie haben nicht nach Kunsttherapie gefragt, sondern werden von mir aufgesucht.  Ich biete darum einen möglichst niederschwelligen Einstieg. Müde, geschwächt und unter starken Medikamenten haben sie oftmals keine Kraft und Motivation, sich darauf einzulassen. Doch ihre Situation ruft geradezu nach Entlastung. Was kann ich in diesem Dilemma anbieten? In der Zwischenzeit hat es sich bewährt, dass ich mich als malende Hand zur Verfügung stelle: Sie können mir quasi ihr gewünschtes Bild diktieren. Ich male es unter ihren Augen im Dialog oder auf die nonverbalen Signale achtend mit ruhigen Bewegungen und klaren, einfachen Formen. Berührende Erinnerungsbilder können aufsteigen und finden so den Weg auf das Papier. Abwechslung im Spitalalltag, achtsame Zuwendung und Ablenkung von den immer wiederkehrenden oft sorgenvollen Gedanken können wohltuend sein. Nicht selten erlebe ich zusammen mit den Erkrankten, dass es auch in schwierigen Situationen möglich ist, Abstand zu gewinnen und sich an Schönem zu freuen.


Esther Widmer beim Mal-

Esther Widmer ist als Kunsttherapeutin an der Palliativstation des Kantonsspitals Olten tätig.

Folgender Text ist ein Abschnitt aus ihrem Buch „Mitten im Leben bis zum Schluss“. Es erscheint Mitte Oktober 2019 im Rüffer und Rub Verlag.


Barry musste zu Hause bleiben

Die ehemalige Bäuerin, ca. 70 Jahre alt, lernte ich kennen, als sie gerade Besuch hatte von zwei jungen Damen. Offenbar kannten sie sich gut. Jedenfalls pflegten sie einen vertrauten Ton. Ich stellte mich vor und erklärte, dass ich nicht stören wolle und daher später nochmals hereinschauen würde. Die Damen waren aber neugierig zu erfahren, was ich denn zu bieten hätte. Ich zeigte ihnen die Farben und sprach dabei auch von der Möglichkeit, dass ich für die Kranke ein Bild unter ihren Augen entstehen lassen könnte. Die beiden jungen Frauen schauten einander an und liessen mich wissen, dass die Bäuerin den Hofhund schmerzlich vermisste. Ich versprach, von Barry ein Bild zu malen. Es fehlte mir jedoch ein Tuch, um das Bett vor Farbklecksen zu schützen. Ich verliess das Zimmer, um eines zu besorgen. Doch als ich erneut eintrat, waren noch mehr Besucher angekommen. Darum schlug ich vor, später wieder zu kommen. Die Bäuerin gab mir aber zu verstehen, dass Barry „unverzüglich hermüsse“! So entstand das Bild des Hofhundes Barry unter den Augen der Patientin und deren fünf Besuchern. Das Bild wurde aufgehängt, die Bäuerin war zufrieden und fortan wurde nicht nur die Patientin von den Besuchern begrüsst, sondern auch Barry.

Barry, der Hund der Bäuerin

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Seelsorgerin aus Berufung

Sie begleitet Patienten in ihren letzten Stunden. Und die Angehörigen meist gar über den Tod hinaus: Ordensschwester Verena.

Palliativmediziner Dr. med. Manuel Jungi mit farbigen Tüchern im Hintergrund.

Der Anfang vom Ende…

…oder das Ende vom Schmerz. Palliative Care wird oft mit Sterbebegleitung verwechselt, ist aber viel mehr. Palliative Care heisst: Ja sagen zum Leben; auch wenn sein Ende absehbar wird. Ein Besuch auf der Palliativstation des Kantonsspitals Olten.

Pinsel auf Gemälde

Kunsttherapie in der Palliative Care

Esther Widmer arbeitet als Kunsttherapeutin in der Palliativstation des Kantonsspitals Olten. Was als Pilotprojekt begann, hat sich in der Zwischenzeit etabliert. Die Patientinnen und Patienten haben dort die Möglichkeit zu malen oder sie „diktieren“ der Therapeutin ihre Bilder.


Palliativmediziner Dr. med. Manuel Jungi mit farbigen Tüchern im Hintergrund.

Der Anfang vom Ende...

Palliativmediziner Dr. med. Manuel Jungi mit farbigen Tüchern im Hintergrund.

PALLIATIVE CARE

Der Anfang vom Ende…

…oder das Ende vom Schmerz. Palliative Care wird oft mit Sterbebegleitung verwechselt, ist aber viel mehr. Palliative Care heisst: Ja sagen zum Leben; auch wenn sein Ende absehbar wird. Ein Besuch auf der Palliativstation des Kantonsspitals Olten.

Die Palliativstation des Kantonsspitals Olten auf der dritten Etage im Trakt D ist wie eine Insel. Eine Insel inmitten des zeitweise hektischen Spitalbetriebs. Die Stimmung aber, die ist keinesfalls bedrückt, wie man dies meinen könnte. Patientinnen und Patienten, die auf die Palliativstation gebracht werden, wissen, dass ihre Erkrankung nicht mehr geheilt werden kann. Sie erfahren aber, dass ihre Erkrankung gelindert wird, dass sie unter Umständen Wochen, Monate oder sogar noch einige Jahre damit leben können, dass sich ein interdisziplinäres Team um sie kümmern wird, mit ihnen über ihre Ängste spricht, über Schmerzen, über den Umgang mit ihrer Situation und ihnen auch mitteilt, dass man sie eigentlich gar nicht so gerne hier behält.

Dr. med. Manuel Jungi ist ärztlicher Leiter der Palliativstation. Ein grosser Mann mit einer ruhigen Stimme und einer klaren Aussage: «Unser Ziel ist es, zusammen mit den Patienten, den Angehörigen, der Pflege und den Therapeuten einen Betreuungsplan zusammenzustellen und sie wieder nach Hause zu schicken.» Eine Tatsache sei aber, dass rund die Hälfte der Patienten auf der Palliativstation sterben würde. «Das liegt daran», so Manuel Jungi, «dass wir Patienten oft viel zu spät zugewiesen bekommen.» Oft kämen Patienten terminal, also bereits in der letzten Lebensphase. «Palliative Versorgung aber sollte viel früher beginnen, nämlich dann, wenn bewusst wird, dass eine Krankheit fortschreitet und nicht mehr geheilt werden kann.»

Wenn die Energie nicht mehr reicht

Stefan A.* war erst 49 Jahre alt. Er ­hatte Leberkrebs und fuhr wiederholt, teils mehrmals pro Woche nach Bern ins Universitätsspital zur Behandlung. Trotz Operationen und anderen Interventionen war der Krebs weiter fortgeschritten. Auf die Palliativstation im Kantonsspital Olten kam er in einer Notfallsituation, als es ihm mental und auch körperlich sehr schlecht ging. Zusammen mit seinem Team erarbeitete Manuel Jungi für ihn einen Betreuungsplan, verschrieb Medikamente gegen Atemnot, Angst, Schmerzen und Unruhe, Medikamente, die der Patient selber dosieren konnte. Und zusammen mit dem Patienten wurde entschieden, keine Chemotherapie mehr aufzunehmen und Stefan A. symptom­orientiert zu betreuen. Stefan A. war froh. Denn er hatte nicht mehr viel Energie – auch das Pendeln nach Bern hatte ihn Kraft gekostet. Stefan A. verstarb nach einigen Tagen, rascher als gedacht, auf der Palliativstation – ruhig und ohne Schmerzen.

Manuel Jungi, sie arbeiten jeden Tag mit Menschen, die keine Aussicht auf Heilung mehr haben. Ist das nicht belastend?

«Ob Sie es glauben oder nicht, aber wir lachen sehr viel auf der Palliativstation und können dies auch mit Patientinnen und Patienten teilen. Das heisst nun nicht, dass unsere Arbeit manchmal nicht auch belastend ist, dass auch wir in gewissen Situationen traurig werden. Aber ich bin nicht alleine. Wir arbeiten als Team. Das bedeutet, ich muss auch nicht alles alleine tragen. Es ist eine sehr menschliche und persönliche Medizin, die wir hier ausüben, das gibt mir als Arzt Erfüllung.»

Reinen Wein einschenken

Der Gedanke daran, dass man sterben muss und sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen, hindert viele Patienten daran, sich schon frühzeitig mit Palliative Care ausei­nanderzusetzen. «Man weiss, dass drei Viertel der Patienten eigentlich am liebsten zu Hause sterben möchten. Tatsache ist aber, dass drei Viertel der Patienten in Institutionen sterben, weil sie sich oft zu spät mit der letzten Lebensphase auseinandersetzen», so Manuel Jungi. Aber auch das darf sein. «Schwierig sind Situationen, wenn Angehörige den Tod ausblenden und uns darum bitten, auch dem Patienten nichts zu sagen. Das geht nicht.» Die Erfahrung zeige auch, dass fast ausnahmlos alle Patientinnen und Patienten sehr dankbar darum seien, wenn ihnen reinen Wein eingeschenkt werde.

Und wie sterben die Menschen, Manuel Jungi?

«Jeder Mensch stirbt seinen eigenen Tod. Es gibt keine allgemeingültige Regel. Natürlich kann der Tod medi­zinisch definiert werden. Aber der Sterbeprozess läuft nicht nur nach medizinisch-biologischen Prozessen ab, da spielen auch Emotionen, psychosoziale Faktoren und die Biografie hinein. Manche gehen ruhig und rasch, andere Patienten kämpfen. Manche Menschen brauchen zum Sterben ihre Angehörigen ganz nah bei sich, andere können erst dann gehen, wenn ihre Angehörigen draussen sind. Sterben ist ein Prozess.»

Was ist Palliative Care

Der Begriff Palliative Care leitet sich aus dem lateinischen «pallium» ab, Umhang, und dem englischen Wort «care», Pflege. Palliative Care ist gemäss Weltgesundheitsorganisation WHO eine Haltung und Behandlung, welche die Lebensqualität von Patienten und ihren Angehörigen verbessern soll, wenn eine lebensbedrohliche Krankheit da ist.

Palliative Care…

… lindert Schmerzen und andere belastende Beschwerden

… unterstützt den Patienten darin, so lange wie möglich aktiv zu bleiben

… integriert psychische, soziale und spirituelle Aspekte

… bejaht das Leben und erachtet das Sterben als normalen Prozess

… will den Tod weder beschleunigen noch verzögern

… unterstützt Angehörige, die Krankheit des Patienten und die eigene Trauer zu verarbeiten

… ist Teamarbeit

… kann frühzeitig in der Erkrankung angewendet werden

Weitere Informationen

www.palliative-so.ch oder www.palliative.ch

Helpline Palliative Care Kanton Solothurn: 079 894 17 89

Die Helpline ist die Anlaufstelle für Fragen rund um die palliative Betreuung im Kanton Solothurn. Sie bietet Beratung für Betroffene, Angehörige, Fachpersonen oder auch Freiwillige.


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Welchen Trost die Seele des Sterbenden braucht

Körperliche Veränderungen sowie Veränderungen im Sprechen und in der nonverbalen Kommunikation kündigen den nahen Tod an. Tut dies auch die Seele des Sterbenden? Wie macht sie uns auf den zu erwartenden Abschied aufmerksam?

Palliativmediziner Dr. med. Manuel Jungi mit farbigen Tüchern im Hintergrund.

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…oder das Ende vom Schmerz. Palliative Care wird oft mit Sterbebegleitung verwechselt, ist aber viel mehr. Palliative Care heisst: Ja sagen zum Leben; auch wenn sein Ende absehbar wird. Ein Besuch auf der Palliativstation des Kantonsspitals Olten.

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Sofaecke in der Palliativstation

Welchen Trost die Seele des Sterbenden braucht

Sofaecke in der Palliativstation

LEBENSENDE

Welchen Trost die Seele des Sterbenden braucht

Körperliche Veränderungen sowie Veränderungen im Sprechen und in der nonverbalen Kommunikation kündigen den nahen Tod an. Tut dies auch die Seele des Sterbenden? Wie macht sie uns auf den zu erwartenden Abschied aufmerksam?

Wir wissen zu wenig darüber, um qualifiziert Auskunft geben zu können. Aus Erfahrung wissen wir aber, was der Seele eines Menschen in seinen letzten Stunden gut zu tun scheint; was sie braucht, um in Frieden Abschied nehmen zu können.

Für das Trostspenden am Sterbebett gilt in besonderer Weise, dass es sehr behutsam und einfühlsam vorgenommen werden muss. Will man das Innerste, die Mitte eines Menschen ansprechen und trösten, dann kann dies nur in Ehrfurcht geschehen, nicht aus der Position des Überlegenen, des Starken, des Besserwissenden. Nur die Haltung der Ehrfurcht wahrt das Geheimnis und damit die einmalige Würde dieses Menschen.

Es gibt unter Männern Zeichen von Trost, die sehr behutsam sind. Da legt einer dem anderen die Hand auf die Schulter und sagt: «Tut mir leid, alter Junge, das hattest du nicht verdient.»  Er will ihm nicht zu nahetreten, er nimmt ihn nicht in den Arm, um ihn wie ein kleines Kind zu trösten, obwohl dem anderen vielleicht die Tränen der Trauer in den Augen stehen. So sollen wir auch am Sterbebett trösten, den anderen gross sein lassen und uns die Zeit für ihn nehmen.

Was der sterbende Mensch zu Lebzeiten geglaubt, gehofft und geliebt hat, welche Einstellungen und Haltungen er in religiösen Fragen gewonnen und wie er diese im Alltag des Lebens «gelebt» hat, das muss in unserem Trösten geachtet und gewürdigt werden. Wie dies in der konkreten Situation geschehen kann, wird uns häufig der Sterbende selbst noch «wissen lassen». Es bedarf dazu vor allem eines «hörenden und verstehenden Herzens», das aufnimmt, was in dem, der unseren Trost nötig hat, vor sich geht.

Fragen Sie sich, welchen Trost der Sterbende vielleicht noch erwartet

  • Steht noch etwas zwischen Ihnen und dem Sterbenden, was bisher nicht ausgesprochen wurde? Sprechen Sie eine bestehende Schuld ihm gegenüber aus und bitten Sie ihn um Vergebung.
    Sagen Sie dem sterbenden Menschen, dass jetzt alles «in Ordnung» ist, damit er getrost loslassen und gehen kann. Und vergessen Sie nicht, sich bei ihm auch zu bedanken
  • Alle Anwesenden sollten ermutigt werden, dem Sterbenden noch etwas zu sagen. Es muss nicht laut ausgesprochen werden, es kann auch im Stillen oder leise ins Ohr geflüstert werden. Das ist auch möglich, wenn der sterbende Mensch nicht mehr bei Bewusstsein scheint.
  • Achten Sie darauf, dass alle persönlichen Äusserungen und Gesten im Raum geschützt bleiben, und nicht «nach draussen getragen» werden.
  • Haben Sie und der Kranke Kontakt zur Kirchengemeinde oder zu einer Glaubensgemeinschaft, dann scheuen Sie sich nicht, einen Seelsorger zu rufen.

Trösten erfordert einen Raum der Stille; es geschieht in leisen Tönen und behutsamen Gesten

Dies gilt erst recht in der Stunde des Todes:

  • Der sterbende Mensch braucht viel stille Zeit. Wenn Sie bei ihm sitzen, dann geben Sie ihm immer wieder diese Zeit völliger Stille. Sorgen Sie für äussere Ruhe im Raum und dafür, dass Störungen von aussen vermieden werden.
  • Zünden Sie eine Kerze an. Und wenn Sie auf Wunsch des Kranken bisher regelmässig mit ihm oder für ihn Lieder gesungen, Texte vorgelesen oder gebetet haben, dann sollten Sie das jetzt auch tun. Beschränken Sie sich aber auf einige wenige Gebete und/oder Lieder.
  • Die Gesangbücher beider Konfessionen beinhalten Lieder und Gebete zu Sterben und Tod, die Ihnen helfen können, wenn Ihnen selbst die Worte fehlen. Greifen Sie zu dem, von dem Sie wissen oder vermuten, dass es der Sterbende kennt.
  • Sprechen Sie liebevoll und zurückhaltend mit dem Sterbenden. Halten Sie seine Hand oder legen Sie Ihre Hand auf seine Schläfe, wenn Sie den Eindruck haben, er mag das.

Es kann tröstlich sein, im Sterben nicht allein zu sein. Möglicherweise aber signalisiert uns der Sterbende auch, dass er jetzt allein sein möchte. Wir haben das zu respektieren. Vielleicht kann er so leichter gehen.

Wir dürfen aber gewiss sein, dass kein Mensch im Sterben allein sein wird (auch wenn wir nicht bei ihm sind). Eine «andere» Gemeinschaft erwartet ihn schon. Und manchmal werden wir am Sterbebett Zeugen dieses Empfangs durch Freunde und Angehörige, die ihm schon vorausgegangen sind.

Quelle: Palliativnetzwerk Mainz

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LEBENSENDE

Wie sich die Sprache verändern kann

Die Sprache der Sterbenden verändert sich. Für Angehörige kann es schwierig sein, diese Veränderung zu akzeptieren und die ungewohnten Worte des vertrauten Menschen richtig einzuordnen.

«Ich komme gerade aus dem Wald», sagt die sterbenskranke Frau, «ich habe etwas gesucht». Natürlich lag die Patientin die ganze Zeit in ihrem Bett und doch war sie in ihrem Inneren woanders. «Ich weiss nicht, ob ich hier in diesen Raum gehöre oder in den anderen», sinniert der Schwerkranke.

Manche Menschen können in der Nähe des Todes, in ihren letzten Wochen und Tagen «noch hier» und zugleich «schon woanders» sein. Ihre Welt scheint «verrückt». Andere wieder sind bis zuletzt bei klarem Bewusstsein oder dämmern nur noch vor sich hin.

Es ist schwer für die Umstehenden, den vertrauten Menschen so verändert und unverständlich zu erleben. Sie möchten am liebsten den Kranken aus seiner Welt herausführen. Wir neigen dann zu Appellen an die Vernunft: «Das hast du nur geträumt». Oder wir machen uns über die Aussagen des Patienten lustig, wollen seine Gedanken und Gefühle verscheuchen oder überhören die «peinlichen» Ideen. Dabei übersehen wir, dass Sterbende dann einer inneren Wahrheit ausgeliefert sind, die für Aussenstehende nur schwer zu verstehen ist.

Bei Menschen in Krisenzuständen ist die logische Aufteilung der Welt in «innen/aussen», «hier/dort», «ich/du», die wir in früher Kindheit auch erst lernen mussten, gelockert, die Kontrolle ist ausgeschaltet, ohne den üblichen Filter der Höflichkeit, der Logik, des Schutzes der Intimität. Sie erkennen nicht, dass ihr inneres Erleben nicht der Aussenwirklichkeit entspricht. Es ist also sinnlos, sie erziehen und der Unwirklichkeit überführen zu wollen. Im Gegenteil: Patienten haben das Recht auf ihr Erleben, ihre vermeintlich verrückten Bilder. Und: Sie sind darauf angewiesen, mit ihren Bildern ernstgenommen zu werden.

Natürlich ist das bei «schönen» Bildern («… war gerade im Wald»; «… habe mit meinem Bruder gesprochen» – der schon lange verstorben ist) leichter als bei Bildern, die vom Sterben symbolisch, aber deutlich sprechen: «Die Koffer sind gepackt», «Ich will jetzt heim», «Ich habe meinen Sarg stehen sehen». Solche Aussagen werden oft zu schnell als «Verwirrung» und damit als wertlos gedeutet.

Nochmals schwieriger sind mystische Visionen oder Gedanken voller Angst, die sich wie Alpträume anhören, aus denen der Patient nicht auszusteigen vermag («Die Vögel fliegen hier überall herum, die machen alles durcheinander. – Und dann ziehen die und ziehen.» – Wer? Die schon Verstorbenen der Familie? Oder böse Geister? – «Ich bin im Feuerofen, da brennt alles.»). Gerade im Familienkreis ist es oft besonders erschreckend, den Vater, die Mutter, den Sohn so verändert zu erleben. Die geliebte Person möchte man doch «normal» haben, man möchte mit ihr wichtige Gedanken austauschen und ihr Sterben in guter Erinnerung behalten. Die Konsequenz besteht dann häufig darin, dass der Kranke in seinem Alptraum gefangen bleibt. Daher ist es wichtig, dass Helferinnen und Helfer von ausserhalb der Familie dem Sterbenden begegnen. Sie können dessen Erleben «leichter» zulassen, begleiten und zu den nächsten Verwandten hin vermitteln.

In dieser Situation kommt es darauf an, sich auf die Gedanken und Gefühle des Kranken einzulassen und ihm zu helfen, sich auszudrücken, z.B. durch «aktives Zuhören» oder durch verstehende Wiederholung seiner Äusserungen. Moralische Wertungen und populärpsychologische Symboldeutungen helfen dem Patienten nicht. Wir wissen heute, dass manches fremdartige Erleben des Patienten auch physiologisch, rein medizinisch zustande kommt, z.B. durch Fehlleitungen im Gehirn.

Lassen Sie sich auf die Gedanken des Patienten ein wie auf das Spiel eines Kindes. Wenn man die Ideen und «Phantasien» sich entfalten lässt, werden auch bedrohliche Inhalte und Gefühle darin nicht etwa schlimmer und dramatischer, sondern der Gefühlsstrom und Stress im Patienten lässt eher nach. Also ruhig auf die Gefühle eingehen: «und wie ist das? »; «und das macht Angst?»; «ist das schön?»; «ja, die sind schlimm». Oft steckt in den Erlebnisbildern des Patienten (den Engeln; den dunklen Gestalten; «meiner Mutter»; «der Oma» etc.) ein hilfreiches Potential, das der Begleiter aufgreifen und bestärken kann. Offensichtlich ist das Sterben nicht nur einsam. Die Patienten haben auch innere Helfer!

Die Umstehenden, die Begleiter, sie müssen nicht alles verstehen und deuten können. Wichtiger ist «die Sprache der Beziehung, des Daseins». Gesten, Berührungen, ein «Ja-Ja», wie man den Patienten bettet, wie man kommt oder geht – das alles «sagt» oft mehr als inhaltsreiche Worte. Die «Seele» hört und versteht, wie es gemeint ist, auch wenn der Kopf es nicht wie gewohnt verarbeiten kann. Auch Töne, Gerüche, Haltungen, sogar Schweigen (wenn es nicht eine blockierte, von Angst bestimmte Sprachlosigkeit ist), die Schwingung in der Stimme, der Zuspruch, der Blickkontakt kommen im Innern des geliebten Menschen an, davon dürfen wir ausgehen.

So enthalten auch Rituale – kleine und grosse – wie das Kreuzzeichen auf die Stirn, das Anzünden einer Kerze oder ein Stossgebet bis hin zur Krankensalbung eine Sinngebung, ohne dass es des logischen und genauen Besprechens der Situation bedarf. Eigentlich ist das Schwere, wenn man es einfach gelten lässt und man den Patienten nicht «irgend-wohin-kriegen» will, ganz leicht.


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