Eine Angehörige besucht jemanden im Spital

Vertraute in fremder Umgebung

Eine Angehörige besucht jemanden im Spital

ANGEHÖRIGENBESUCHE IM SPITAL

Vertraute in fremder Umgebung

Angehörigenbesuche im Spital und in den Psychiatrischen Diensten sind erwünscht. Sehr sogar. Denn sie haben einen positiven Einfluss darauf, wie und vor allem wie rasch Patientinnen und Patienten gesund werden.

Geht man davon aus, dass an jedem Tag, an dem eine Patientin, ein Patient im Spital liegt, ein bis zwei Angehörige zu Besuch kommen, so sind es jährlich rund 600 000 bis 700 000 Angehörige, welche den Patientinnen und Patienten in den Solothurner Spitälern einen Besuch abstatten. Eine enorme Zahl. Dr. Christoph von Dach, Leiter der Pflegeentwicklung der Solothurner Spitäler, freut sich darüber: «Alles, was die Heilung des Patienten fördert, begrüssen wir.» Angehörigenbesuche seien eine sehr wertvolle Unterstützung. Ausserdem wisse man aus verschiedensten Untersuchungen, dass Spitalbesuche eine positive Auswirkung auf die Genesung der Patienten haben.

Menschen, die einem nahe sind

Angehörige müssen nicht nur Familienmitglieder sein oder der Lebenspartner, die Lebenspartnerin. Angehörige sind Personen, die dem Patienten nahestehen. Besuche von solchen Menschen geben Patienten Sicherheit, emotionale Verbundenheit und auch soziale Zugehörigkeit. «In der Pflege gehen wir von einem personenzentrierten Modell aus, bei dem der Patient und sein Umfeld mit all ihren Bedürfnissen, Anliegen und Fragen im Mittelpunkt stehen», so Christoph von Dach. Und dazu gehört unter anderem auch, dass Angehörigenbesuche bewusst gefördert werden. Deshalb haben fast alle Spitäler sehr grosszügig bemessene Besuchszeiten.

Was Patienten brauchen…

Ganz ohne Regeln geht es natürlich nicht. Es ist ein grosser Unterschied, ob ein Patient in kritischem Zustand auf der Intensivstation liegt oder nach einem Routineeingriff bereits wieder im Zimmer herumgehen kann. Deshalb gelten für die Intensivstation andere Besuchsvorschriften – nicht zuletzt auch aus hygienischen Gründen. Aber: Auch wenn ein Patient nicht mehr ansprechbar ist, können Besuche eine sehr positive Wirkung haben. Patienten, die etwa im Koma waren, berichten, dass die Besuche von ihren Liebsten ihnen ein Gefühl von Sicherheit, Schutz und Kraft gegeben hätten. In vielen Situationen und Bereichen, wie zum Beispiel auch in der Psychiatrie oder auf der Palliativstation, werden Angehörige nach Möglichkeit stets in die Pflege und den Behandlungsprozess miteinbezogen.

…und Angehörige wollen

Angehörige haben ein hohes Bedürfnis nach ehrlichen und verständlichen Informationen. Bekommen sie diese Informationen nicht, kann ein Klima des Misstrauens entstehen, das Gefühl kommt auf, der Patient sei möglicherweise nicht mehr gut aufgehoben. «Deshalb wird dem Gespräch und dem Einbezug der Angehörigen eine hohe Priorität eingeräumt», sagt der Leiter der Pflegeentwicklung, Christoph von Dach, «und es gehört zu den zen­tralen Aufgaben der Bezugspflegeperson aktiv das Gespräch zu suchen oder mit den Angehörigen die Nachsorge zu organisieren – immer natürlich nach Rücksprache mit dem Patienten.»


Dr. Christoph von Dach, Leiter Pflegeentwicklung Solothurner Spitäler

Dr. Christoph von Dach, Leiter der Pflegeentwicklung der Solothurner Spitäler: «Besuche von Angehörigen geben Patienten Sicherheit, emotionale Verbundenheit und auch soziale Zugehörigkeit.»


Wer wie häufig besucht

Ja, es gebe Unterschiede, wenn es um Patientenbesuche im Spital gehe, meint Nadia Di Bernardo, Leiterin Fachstelle Integration der Solothurner Spitäler, angesprochen darauf, dass Menschen aus südlichen Ländern tendenziell häufiger und zahlreicher ihre Angehörigen im Spital besuchen würden. «Gerade in familienzentrierten Systemen entscheidet nicht das Individuum alleine über eine Therapie oder Behandlung, sondern die ganze Familie wird daran beteiligt.» Die Rolle der Familie habe in solchen Systemen darum eine starke Auswirkung auf den Behandlungs- und den Pflegeprozess, so Nadia Di Bernardo. Im Spitalalltag aber können zahlreiche Besuche gerade in Mehrbettzimmern manchmal auch zu Irritationen führen. «Wichtig ist, dass man in solchen Fällen klare Abmachungen trifft und aufeinander zugeht. Meistens kann durch ein Gespräch Verständnis geschaffen und das Problem gelöst werden.»

 

Die Besuchszeiten finden Sie auf www.solothurnerspitaeler.ch.


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Sofaecke in der Palliativstation

Welchen Trost die Seele des Sterbenden braucht

Sofaecke in der Palliativstation

LEBENSENDE

Welchen Trost die Seele des Sterbenden braucht

Körperliche Veränderungen sowie Veränderungen im Sprechen und in der nonverbalen Kommunikation kündigen den nahen Tod an. Tut dies auch die Seele des Sterbenden? Wie macht sie uns auf den zu erwartenden Abschied aufmerksam?

Wir wissen zu wenig darüber, um qualifiziert Auskunft geben zu können. Aus Erfahrung wissen wir aber, was der Seele eines Menschen in seinen letzten Stunden gut zu tun scheint; was sie braucht, um in Frieden Abschied nehmen zu können.

Für das Trostspenden am Sterbebett gilt in besonderer Weise, dass es sehr behutsam und einfühlsam vorgenommen werden muss. Will man das Innerste, die Mitte eines Menschen ansprechen und trösten, dann kann dies nur in Ehrfurcht geschehen, nicht aus der Position des Überlegenen, des Starken, des Besserwissenden. Nur die Haltung der Ehrfurcht wahrt das Geheimnis und damit die einmalige Würde dieses Menschen.

Es gibt unter Männern Zeichen von Trost, die sehr behutsam sind. Da legt einer dem anderen die Hand auf die Schulter und sagt: «Tut mir leid, alter Junge, das hattest du nicht verdient.»  Er will ihm nicht zu nahetreten, er nimmt ihn nicht in den Arm, um ihn wie ein kleines Kind zu trösten, obwohl dem anderen vielleicht die Tränen der Trauer in den Augen stehen. So sollen wir auch am Sterbebett trösten, den anderen gross sein lassen und uns die Zeit für ihn nehmen.

Was der sterbende Mensch zu Lebzeiten geglaubt, gehofft und geliebt hat, welche Einstellungen und Haltungen er in religiösen Fragen gewonnen und wie er diese im Alltag des Lebens «gelebt» hat, das muss in unserem Trösten geachtet und gewürdigt werden. Wie dies in der konkreten Situation geschehen kann, wird uns häufig der Sterbende selbst noch «wissen lassen». Es bedarf dazu vor allem eines «hörenden und verstehenden Herzens», das aufnimmt, was in dem, der unseren Trost nötig hat, vor sich geht.

Fragen Sie sich, welchen Trost der Sterbende vielleicht noch erwartet

  • Steht noch etwas zwischen Ihnen und dem Sterbenden, was bisher nicht ausgesprochen wurde? Sprechen Sie eine bestehende Schuld ihm gegenüber aus und bitten Sie ihn um Vergebung.
    Sagen Sie dem sterbenden Menschen, dass jetzt alles «in Ordnung» ist, damit er getrost loslassen und gehen kann. Und vergessen Sie nicht, sich bei ihm auch zu bedanken
  • Alle Anwesenden sollten ermutigt werden, dem Sterbenden noch etwas zu sagen. Es muss nicht laut ausgesprochen werden, es kann auch im Stillen oder leise ins Ohr geflüstert werden. Das ist auch möglich, wenn der sterbende Mensch nicht mehr bei Bewusstsein scheint.
  • Achten Sie darauf, dass alle persönlichen Äusserungen und Gesten im Raum geschützt bleiben, und nicht «nach draussen getragen» werden.
  • Haben Sie und der Kranke Kontakt zur Kirchengemeinde oder zu einer Glaubensgemeinschaft, dann scheuen Sie sich nicht, einen Seelsorger zu rufen.

Trösten erfordert einen Raum der Stille; es geschieht in leisen Tönen und behutsamen Gesten

Dies gilt erst recht in der Stunde des Todes:

  • Der sterbende Mensch braucht viel stille Zeit. Wenn Sie bei ihm sitzen, dann geben Sie ihm immer wieder diese Zeit völliger Stille. Sorgen Sie für äussere Ruhe im Raum und dafür, dass Störungen von aussen vermieden werden.
  • Zünden Sie eine Kerze an. Und wenn Sie auf Wunsch des Kranken bisher regelmässig mit ihm oder für ihn Lieder gesungen, Texte vorgelesen oder gebetet haben, dann sollten Sie das jetzt auch tun. Beschränken Sie sich aber auf einige wenige Gebete und/oder Lieder.
  • Die Gesangbücher beider Konfessionen beinhalten Lieder und Gebete zu Sterben und Tod, die Ihnen helfen können, wenn Ihnen selbst die Worte fehlen. Greifen Sie zu dem, von dem Sie wissen oder vermuten, dass es der Sterbende kennt.
  • Sprechen Sie liebevoll und zurückhaltend mit dem Sterbenden. Halten Sie seine Hand oder legen Sie Ihre Hand auf seine Schläfe, wenn Sie den Eindruck haben, er mag das.

Es kann tröstlich sein, im Sterben nicht allein zu sein. Möglicherweise aber signalisiert uns der Sterbende auch, dass er jetzt allein sein möchte. Wir haben das zu respektieren. Vielleicht kann er so leichter gehen.

Wir dürfen aber gewiss sein, dass kein Mensch im Sterben allein sein wird (auch wenn wir nicht bei ihm sind). Eine «andere» Gemeinschaft erwartet ihn schon. Und manchmal werden wir am Sterbebett Zeugen dieses Empfangs durch Freunde und Angehörige, die ihm schon vorausgegangen sind.

Quelle: Palliativnetzwerk Mainz

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3 FRAGEN AN DIE KINDERÄRZTIN

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Brigitte Niederer, weshalb gibt es Erwachsenenärzte und Kinderärztinnen?

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und brauchen eine auf ihre Bedürfnisse speziell ausgerichtete Medizin. Da bei Kindern alles noch in der Entwicklung ist, muss dies in der Beurteilung und Therapie berücksichtigt werden. Es gibt Auffälligkeiten, die ausschliesslich im Kindesalter vorkommen. Andererseits gibt es auch Krank-heiten, welche kaum je in jungen Jahren auftreten. Deshalb braucht es eine Ausbildung, welche diesen Bedürfnissen gerecht wird.

Schweizweit gibt es zu wenig Kinderärzte. Können Sie sich erklären weshalb?

Dies hängt sicher damit zusammen, dass die Verdienstmöglichkeiten gegenüber anderen Spezialisten geringer sind und auch das Ansehen innerhalb der Ärzteschaft weniger gross ist. Ganz anders aber etwa bei Eltern, da hat der Kinderarzt einen hohen Stellenwert.

Was mögen Sie an Ihrem Beruf?

Oft ähnelt die Tätigkeit des Kinderarztes derjenigen eines Detektives, weil die kleinen Patienten nicht immer sagen können, wo genau der Schuh drückt. Hinzu kommt, dass es ja meistens nicht die Kinder sind, die etwas vom Kinderarzt wollen, sondern die Eltern. Da spüre ich auch, dass Eltern durch die zahlreichen Informationen in den Medien oft verunsichert sind. Auch das Wissen der älteren Generation im Umgang mit Krankheiten ist nicht mehr so präsent wie früher. Das macht aber meine Tätigkeit enorm spannend, herausfordernd und anspruchsvoll. Zudem sieht man als Kinderärztin das gesamte Spektrum der Medizin, was sehr abwechslungsreich ist.


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Dr. med. Brigitte Niederer Blatter ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und führt eine Kinderarztpraxis am Kantonsspital Olten


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Wie sich die Sprache verändern kann

Die Sprache der Sterbenden verändert sich. Für Angehörige kann es schwierig sein, diese Veränderung zu akzeptieren und die ungewohnten Worte des vertrauten Menschen richtig einzuordnen.

«Ich komme gerade aus dem Wald», sagt die sterbenskranke Frau, «ich habe etwas gesucht». Natürlich lag die Patientin die ganze Zeit in ihrem Bett und doch war sie in ihrem Inneren woanders. «Ich weiss nicht, ob ich hier in diesen Raum gehöre oder in den anderen», sinniert der Schwerkranke.

Manche Menschen können in der Nähe des Todes, in ihren letzten Wochen und Tagen «noch hier» und zugleich «schon woanders» sein. Ihre Welt scheint «verrückt». Andere wieder sind bis zuletzt bei klarem Bewusstsein oder dämmern nur noch vor sich hin.

Es ist schwer für die Umstehenden, den vertrauten Menschen so verändert und unverständlich zu erleben. Sie möchten am liebsten den Kranken aus seiner Welt herausführen. Wir neigen dann zu Appellen an die Vernunft: «Das hast du nur geträumt». Oder wir machen uns über die Aussagen des Patienten lustig, wollen seine Gedanken und Gefühle verscheuchen oder überhören die «peinlichen» Ideen. Dabei übersehen wir, dass Sterbende dann einer inneren Wahrheit ausgeliefert sind, die für Aussenstehende nur schwer zu verstehen ist.

Bei Menschen in Krisenzuständen ist die logische Aufteilung der Welt in «innen/aussen», «hier/dort», «ich/du», die wir in früher Kindheit auch erst lernen mussten, gelockert, die Kontrolle ist ausgeschaltet, ohne den üblichen Filter der Höflichkeit, der Logik, des Schutzes der Intimität. Sie erkennen nicht, dass ihr inneres Erleben nicht der Aussenwirklichkeit entspricht. Es ist also sinnlos, sie erziehen und der Unwirklichkeit überführen zu wollen. Im Gegenteil: Patienten haben das Recht auf ihr Erleben, ihre vermeintlich verrückten Bilder. Und: Sie sind darauf angewiesen, mit ihren Bildern ernstgenommen zu werden.

Natürlich ist das bei «schönen» Bildern («… war gerade im Wald»; «… habe mit meinem Bruder gesprochen» – der schon lange verstorben ist) leichter als bei Bildern, die vom Sterben symbolisch, aber deutlich sprechen: «Die Koffer sind gepackt», «Ich will jetzt heim», «Ich habe meinen Sarg stehen sehen». Solche Aussagen werden oft zu schnell als «Verwirrung» und damit als wertlos gedeutet.

Nochmals schwieriger sind mystische Visionen oder Gedanken voller Angst, die sich wie Alpträume anhören, aus denen der Patient nicht auszusteigen vermag («Die Vögel fliegen hier überall herum, die machen alles durcheinander. – Und dann ziehen die und ziehen.» – Wer? Die schon Verstorbenen der Familie? Oder böse Geister? – «Ich bin im Feuerofen, da brennt alles.»). Gerade im Familienkreis ist es oft besonders erschreckend, den Vater, die Mutter, den Sohn so verändert zu erleben. Die geliebte Person möchte man doch «normal» haben, man möchte mit ihr wichtige Gedanken austauschen und ihr Sterben in guter Erinnerung behalten. Die Konsequenz besteht dann häufig darin, dass der Kranke in seinem Alptraum gefangen bleibt. Daher ist es wichtig, dass Helferinnen und Helfer von ausserhalb der Familie dem Sterbenden begegnen. Sie können dessen Erleben «leichter» zulassen, begleiten und zu den nächsten Verwandten hin vermitteln.

In dieser Situation kommt es darauf an, sich auf die Gedanken und Gefühle des Kranken einzulassen und ihm zu helfen, sich auszudrücken, z.B. durch «aktives Zuhören» oder durch verstehende Wiederholung seiner Äusserungen. Moralische Wertungen und populärpsychologische Symboldeutungen helfen dem Patienten nicht. Wir wissen heute, dass manches fremdartige Erleben des Patienten auch physiologisch, rein medizinisch zustande kommt, z.B. durch Fehlleitungen im Gehirn.

Lassen Sie sich auf die Gedanken des Patienten ein wie auf das Spiel eines Kindes. Wenn man die Ideen und «Phantasien» sich entfalten lässt, werden auch bedrohliche Inhalte und Gefühle darin nicht etwa schlimmer und dramatischer, sondern der Gefühlsstrom und Stress im Patienten lässt eher nach. Also ruhig auf die Gefühle eingehen: «und wie ist das? »; «und das macht Angst?»; «ist das schön?»; «ja, die sind schlimm». Oft steckt in den Erlebnisbildern des Patienten (den Engeln; den dunklen Gestalten; «meiner Mutter»; «der Oma» etc.) ein hilfreiches Potential, das der Begleiter aufgreifen und bestärken kann. Offensichtlich ist das Sterben nicht nur einsam. Die Patienten haben auch innere Helfer!

Die Umstehenden, die Begleiter, sie müssen nicht alles verstehen und deuten können. Wichtiger ist «die Sprache der Beziehung, des Daseins». Gesten, Berührungen, ein «Ja-Ja», wie man den Patienten bettet, wie man kommt oder geht – das alles «sagt» oft mehr als inhaltsreiche Worte. Die «Seele» hört und versteht, wie es gemeint ist, auch wenn der Kopf es nicht wie gewohnt verarbeiten kann. Auch Töne, Gerüche, Haltungen, sogar Schweigen (wenn es nicht eine blockierte, von Angst bestimmte Sprachlosigkeit ist), die Schwingung in der Stimme, der Zuspruch, der Blickkontakt kommen im Innern des geliebten Menschen an, davon dürfen wir ausgehen.

So enthalten auch Rituale – kleine und grosse – wie das Kreuzzeichen auf die Stirn, das Anzünden einer Kerze oder ein Stossgebet bis hin zur Krankensalbung eine Sinngebung, ohne dass es des logischen und genauen Besprechens der Situation bedarf. Eigentlich ist das Schwere, wenn man es einfach gelten lässt und man den Patienten nicht «irgend-wohin-kriegen» will, ganz leicht.


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Pinsel auf Gemälde

Kunsttherapie in der Palliative Care

Esther Widmer arbeitet als Kunsttherapeutin in der Palliativstation des Kantonsspitals Olten. Was als Pilotprojekt begann, hat sich in der Zwischenzeit etabliert. Die Patientinnen und Patienten haben dort die Möglichkeit zu malen oder sie „diktieren“ der Therapeutin ihre Bilder.

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Spitzname: 50 Minuten

PATIENTENPORTRAIT

Spitzname: 50 Minuten

Silvan Baschung kennt man besser unter dem Namen DJ Bonsai. Ein Grenchner, der in seinem Leben nicht viel ausgelassen hat. Wer mit diesem redseligen, freundlichen Mann spricht, würde keinen Moment daran denken, dass er schon mal tot war.

Silvan Baschung,
Grenchen,
57 Jahre alt,
Diagnose Herzstillstand

«2015 hatte ich in Wengen eine Saisonstelle als DJ. Ich bin gegen Mittag aufgewacht, es war mir unwohl. Sehr unwohl. Duschen half nichts, also ging ich runter in die Bar. Ich weiss noch, wie ich mir die Zigarette anzündete, als Marion, die Chefin der Bar, zu mir sagte: «Du Bonsai, gsehsch im Fall schlächt us.» An den Rest erinnere ich mich nur bruchstückhaft: Arztbesuch, Probleme, meinen Namen zu sagen, Nitroglycerin, zweiter Arzt, Helikopter, aufgewacht im Inselspital Bern. Drei Tage später wurde ich nach Solothurn ins Bürgerspital verlegt.

50 Minuten lang, so wurde mir erzählt, musste ich in der Arztpraxis in Wengen reanimiert werden, neunmal haben sie mich mit Elektroschocks defibrilliert. In der Rehabilitation in Solothurn gaben sie mir daraufhin den Spitznamen «50-Minuten».

Ich hatte Glück im Unglück und kaum Folgeschäden davongetragen. Nur kurz nach dem Herzstillstand hatte ich Sprachschwierigkeiten, verwechselte Wörter und konnte nur langsam sprechen. Drei Monate war ich in der ambulanten Rehabilita­tion im Bürgerspital Solothurn. Das war eine tolle Zeit! In unserer Gruppe machte ich den Gruppenlöli, wir haben viel gelacht. Turnen, Schwimmen, Fitness, Velofahren und Wandern standen zweimal die Woche auf dem Programm.

Naja, ein Sportler bin ich deswegen nicht gerade geworden. Aber immerhin rauche ich nicht mehr. Vorher waren es locker mal zwei bis drei Päckli Zigaretten am Tag. Und ich nehme sogar hin und wieder die Treppe oder gehe kurze Strecken zu Fuss. Aber nicht übertreiben, fürs zehnte Stockwerk steige ich nach wie vor in den Lift.

Meine Kardiologin am Bürgerspital Solothurn sagte mir deutlich, dass ich einen weiteren Herzinfarkt nicht mehr überleben werde, da die Stents im vorderen Drittel gesetzt wurden. Als ich nach dem Vorfall einmal den Speaker an einem Firmenfussballturnier machte, war mir nicht gut. Ich sah den Defibrillator an der Wand und sagte meinen Kumpels: ‹Giele, wenn ich was habe, dann schnappt ihr euch das Grätli da, lest die Bedienungsanleitung und macht was.› Glücklicherweise war es dann aber kein Herzinfarkt.»


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Als wir Barbara Bösiger darauf hinwiesen, dass nach dem Gespräch eine grosse Öffentlichkeit wissen wird, dass sie in psychiatrischer Behandlung war, meinte sie, das sei kein Problem. Sie wolle offen über ihre Krankheit reden. Und damit auch andere ermutigen, sich in solchen Situationen nicht verstecken zu müssen.

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Roland Hert hatte nur einen kurzen Aufenthalt im Notfall des Bürgerspitals Solothurn. Der sportliche Familienvater baute seinen Unfall nicht etwa während, sondern nach dem Telemarkfahren.

Roland Hert,
Bellach,
Qualitätsmanager,
47 Jahre alt,
Diagnose Rippenbruch

«Es war diese eine Metallsprosse, ziemlich glatt, von der ich mitten in der Nacht beim Runtersteigen vom Kajütenbett ausrutschte. Ich knallte seitlich auf den Boden. Spürte Schmerzen, dachte, das geht wieder vorbei.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, tat mir jede Bewegung weh. Tief einatmen oder lachen ging fast nicht mehr. Ich ging einen Tag früher nach Hause vom Leiterkurs, mit zahlreichen Pausen während der Autofahrt, da die Schmerzen stark zugenommen hatten.

Zu Hause angekommen fuhr ich zusammen mit meiner Frau am Sonntagnachmittag in die Notfallabteilung des Bürgerspitals. Aufnahme, Triage, Koje, Röntgen und dazwischen musste ich immer wieder warten. Das war für mich kein Problem. Ich wusste, dass ich nichts Schlimmes hatte und andere Patienten mit schwereren Erkrankungen Vorrang haben. Ich wollte dennoch sicher sein, dass keine gebrochene Rippe die Lunge verletzen würde. Nach drei Stunden dann kam das Gespräch mit dem Arzt, ich bekam Schmerzmedikamente verschrieben, die ich eineinhalb Monate zu mir nahm, und dann war wieder gut.»


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Philippe Glauser, wie hat sich Ihr erster Schnitt an einem Menschen angefühlt?

Ich weiss, es wird erwartet, dass ich nun so Dinge sage, wie, ich sei sehr demütig gewesen und habe es als unglaubliches Privileg betrachtet. Wenn ich aber ehrlich bin, dann mag ich mich gar nicht mehr an meinen ersten Schnitt erinnern. Der erste Schnitt, den hat man als angehender Chirurg meistens auch schon sehr früh gemacht, nämlich dann, wenn man lernen muss, in eine Hautschicht zu schneiden. Danach übergibt man wieder an den lehrenden Chirurgen und assistiert weiter. Das löst nicht viel aus. Wie beim Fahren eines Sportwagens: Das Aufschliessen des Autos schafft noch kein Glücksgefühl, aber das Losfahren sehr wohl. An meine erste eigene Operation mag ich mich aber sehr wohl erinnern.

Sind Sie nervös vor einer Operation?

Sagen wir es so: Ich habe immer eine gewisse Grundspannung. Und das ist auch gut so. Operieren geht nicht mit einer Nonchalance. Man muss es ernst nehmen. Eine Überspannung wäre nicht gut, eine Unterspannung noch weniger. Die Grundspannung sind wir dem Patienten gegenüber schuldig – auch wenn ein Eingriff schon sehr häufig durchgeführt wurde.
Wenn ich zum Schnitt ansetze, dann ist das für mich nur ein weiterer Schritt einer langen Vorbereitung und keineswegs der Beginn der Operation. In dem Moment, in dem ich mit der Operation beginne, bin ich äusserst fokussiert und nehme rund um mich herum nicht mehr alles wahr. Meine Aufmerksamkeit gilt ganz dem Hier und Jetzt. Emotionen haben da nicht mehr viel Platz. Die Amerikaner drücken es jeweils so aus: The job has to be done.

Chirurgen üben ihren Beruf fast immer mit einer grossen Leidenschaft aus. Warum?

Nach einem gelungenen Eingriff ergreift mich jeweils ein Glücksgefühl, das ich immer wieder haben will. Das ist bestimmt ein Teil der Leidenschaft. Ein weiterer Punkt ist auch, dass in der Chirurgie der Effekt der Behandlung oft sofort sichtbar ist. Auch das schafft Glücksgefühle. Und nicht zuletzt muss man sehen, dass sich die meisten angehenden Ärztinnen und Ärzte sehr früh entscheiden, in die Chirurgie zu gehen und sehr viel in diesen Berufswunsch investieren müssen. Dies schafft bestimmt eine gewisse Selektion. Aber wissen Sie, eigentlich braucht jeder Leidenschaft, um gut zu sein in seinem Beruf. Stellen Sie sich zum Beispiel einen Koch ohne Leidenschaft vor, das kommt meistens auch nicht gut.


Dr. med. Philippe Glauser

Dr. med. Philippe Glauser ist Co-Chefarzt der Chirurgie am Spital Dornach.


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