Interview

Die Prognose verbessert sich laufend

Die Diagnose Brustkrebs trifft laut Fachgesellschaften vermehrt auch jüngere Frauen. Dr. med. Amina Scherz, Stv. Chefärztin für Onkologie und Hämatologie, und Dr. med. Laura Knabben, Leiterin des Brustzentrums im Bürgerspital Solothurn, geben Auskunft über Behandlungsmöglichkeiten, Prognosen und den Wert von Vorsorgeuntersuchungen.

Frau Scherz, Frau Knabben, wie häufig erkranken junge Frauen an Brustkrebs?

Laura Knabben: Sieben Prozent der Brustkrebsfälle treten weltweit bei Frauen unter dem 40. Lebensjahr auf, wobei es regionale Unterschiede gibt. Auch im Bürgerspital Solothurn dürfte dies zutreffen. Auch hier mussten wir leider in den letzten Jahren einige Frauen mit teils fortgeschrittenen Brustkrebserkrankungen behandeln. Bei Risikopatientinnen, zum Beispiel bei gehäuftem Vorkommen von Brustkrebs in der Familie, sollten Früherkennungsuntersuchungen auch schon in jüngerem Alter durchgeführt werden.

Amina Scherz: Die Behandlungen bei Brustkrebs, vor allem bei jungen Frauen, sind in der akuten Phase, aber auch im langfristigen Verlauf, komplex und bedürfen einer optimalen interdisziplinären und interprofessionellen Zusammenarbeit. Brustzentren wie das unsere, das einerseits nach der deutschen Krebsgesellschaft DKG und andererseits auch nach den Kriterien der Krebsliga Schweiz zertifiziert ist, bieten Brustkrebspatientinnen eine hohe Behandlungsqualität und eine breite interdisziplinäre Vernetzung.

Wie unterscheidet sich die Behandlung bei jungen und älteren Frauen?

Amina Scherz: Die oft biologisch aggressivere Erkrankung in dieser Alterskategorie macht eine intensivere und längere medikamentöse Behandlung notwendig, verglichen mit der Therapie bei älteren Frauen. Jüngere Patientinnen stehen aufgrund ihrer Lebensphase vor besonderen Herausforderungen — sie müssen Karriere, Familie und Familienplanung unter einen Hut bringen. Die Langzeitfolgen von Brustkrebsbehandlungen gehen weit über die eigentliche Therapie hinaus und haben erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität.

Im Rahmen der Behandlung kommt es häufig zu Haarverlust. Wie häufig ist diese Nebenwirkung?

Amina Scherz: Haarverlust ist leider bei den meisten intensiven Chemotherapien unvermeidbar. Obwohl der Haarverlust sehr einschneidend ist, erlebe ich, dass die meisten Frauen damit gut umgehen können. Die meisten Perücken sind heute von echtem Haar kaum zu unterscheiden. Nach Ende der Chemotherapie beginnen die Haare wieder zu wachsen. Auch Missempfindungen an den Händen und Füssen im Sinne einer Polyneuropathie können auftreten, weshalb wir prophylaktisch ein spezialisiertes neuromuskuläres Physiotherapieprogramm anbieten. Ausserdem ist eine Kompression und Kühlung der Finger im Rahmen eines Qualitätsprogramms in Planung.

Gab es in den vergangenen Jahren Entwicklungen in der Therapie von Brustkrebs, die Sie besonders wichtig finden?

Laura Knabben: Im letzten Jahrzehnt gab es eine zunehmende Deeskalation in der Brustchirurgie. Es konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass ein Verzicht auf eine radikale Entfernung der Lymphknoten in der Achselhöhle in vielen Fällen nicht zu einer Verschlechterung der Prognose führt. Dafür treten dann aber deutlich weniger Lymphödeme auf, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken können.

Amina Scherz: Sicherlich haben die Immuntherapie und gezielte Therapieansätze wie Antikörper erheblich dazu beigetragen, dass sich die Prognose gerade bei jüngeren Frauen mit aggressivem Brustkrebs laufend verbessert.

Welche Vorurteile oder Falschinformationen zum Thema gibt es nach wie vor?

Amina Scherz: Vorurteile und Falschinformationen sind mir wenig begegnet. Ich erlebe vielmehr, dass sich Frauen mit dem Thema Brustkrebs gut auseinandersetzen und auch bezüglich Brustkrebsfrüherkennungsprogrammen wie Donna gut informiert sind.


Dr. med. Amina Scherz ist Stv. Chefärztin für Onkologie und Hämatologie am Bürgerspital Solothurn.

Dr. med. Laura Knabben ist Leiterin des Brustzentrums am Bürgerspital Solothurn.


Weitere Beiträge

Neue Medizinstrategie soH

Die Solothurner Spitäler haben eine neue Medizinstrategie. Eines der Ziele ist, das Gesundheitsnetzwerk der Solothurner Spitäler auszubauen. Was heisst das genau?

Junge versteckt sich hinter einen Türe.

Kinder- und Jugendpsychiatrie

Es spricht vieles dafür, manche Kinder oder Jugendliche zu Hause und nicht in einem Besprechungszimmer oder in der Tagesklinik zu behandeln. Auf Hausbesuch im Wasseramt.

Bild vor dem Spital Dornach beim Notfall

Direkt nach Hause

Immer mehr Patientinnen und Patienten gehen direkt in die Notfallstationen der Spitäler statt zur Hausärztin oder zum Hausarzt. Rund drei Viertel der Fälle können entsprechend ambulant behandelt werden.