SPORTLICHE LEISTUNGEN VON MÄNNERN UND FRAUEN
Die Unterschiede schwinden immer mehr
Die Schweiz wird immer sportlicher. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass immer mehr Frauen Sport treiben. Doch was unterscheidet die Geschlechter? Ein Gespräch mit Sportmediziner Dr. med. Andreas Gösele.
Sind Frauen gleich sportlich wie Männer?
Heutzutage ja. Das hat sich aber erst in den letzten Jahren verändert. Wir sehen im Breiten- und Spitzensport, dass Frauen bezüglich Trainingsumfang und -häufigkeit langsam aber sicher mit den Männern gleichziehen. Das war vor 20 Jahren noch anders. Einzig bei der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen und bei den Männern über 60 sind die Männer bezüglich Trainingshäufigkeit in der Mehrzahl.
Gibt es Sportarten, bei denen Frauen bessere Voraussetzungen haben als Männer?
Vor allem bei ästhetischen Sportarten wie Sportgymnastik, Turnen oder Eiskunstlauf haben Frauen deutlich bessere Voraussetzungen, da sie meistens beweglicher sind. Grund dafür ist das Weiblichkeitshormon Östrogen, welches die Gelenke, Muskulatur und Bänder dehnbarer macht. Wir merken das übrigens auch bei Verletzungen, dass sich Frauen in Abhängigkeit vom Monatszyklus in der Phase vor und um den Eisprung mehr verletzen als sonst. Aber keine Regel ohne Ausnahmen. Vergleiche ich eine Fussballerin mit einem Kunstturner, so ist es bezüglich der Beweglichkeit natürlich umgekehrt.
Und bei welchen Sportarten haben Männer die besseren Voraussetzungen?
Das lässt sich einfach erklären: In allen Sportarten, bei denen eine hohe Bereitstellung an schneller Kraft gefragt ist. Eine Frau wird zum Beispiel nie in der Lage sein, beim 100-Meter-Lauf dieselbe Zeit zu rennen wie ein Mann. Dasselbe sehen wir beim Weit- oder Hochsprung, wo Männer ganz andere Weiten beziehungsweise Höhen erreichen als Frauen. Aber im Langstreckenbereich schwinden die Unterschiede immer stärker. Dort nähern sich Frauen mehr und mehr den Leistungen der Männer an. Der Grund liegt auch hier im gesteigerten Trainingsvolumen.
Sollten Frauen andere Sportarten ausüben als Männer?
Nein. Alle Sportarten sind für beide Geschlechter gleich gut machbar. Vor der Pubertät übrigens sind in einer gemischten Sportklasse oft die Mädchen den Jungs voraus. Bei Knaben kommt erst mit der Pubertät die Ausprägung der Muskulatur.
Trainieren Männer und Frauen unterschiedlich?
Beim Trainingsverhalten hat man den Eindruck, dass Frauen unter sportmedizinischen Gesichtspunkten besser trainieren als Männer. Männer überlasten sich öfters, wollen körperliche Grenzen erreichen, ins Schwitzen kommen, durchbeissen und so weiter. Trainingsphysiologisch macht das aber keinen Sinn. Im Profisport sind die Trainingsunterschiede zwischen den Geschlechtern kaum vorhanden, da dort professionelle Trainingspläne befolgt werden.
Gibt es in der sportmedizinischen Behandlung genderspezifische Aspekte?
Nein. Ein Band ist ein Band, eine Verletzung ist eine Verletzung. Was wir aber sehen, ist, dass sich Männer im Sport oft risikoreicher verhalten und deshalb häufiger verletzt sind. Vor allem Männer zwischen 20 und 30 Jahren. Bei den Überlastungsschäden gibt es wiederum keine Unterschiede.
Dr. med. Andreas Gösele
ist Sportmediziner und Leiter des Swiss Olympic Medical Centers der crossklinik (Basel und Spital Dornach). Er nahm als Olympiaarzt der Schweizer Athletinnen und Athleten an zahlreichen olympischen Spielen teil (Sydney, Athen, Turin, Peking, Vancouver, London). Privat ist er ein leidenschaftlicher Rennrad- und Skifahrer.
Ausdauer: So trainieren Sie richtig
Dr. med. Andreas Gösele hat eine klare Antwort auf die Frage, wie man seine Ausdauer steigert: «Durch die Regelmässigkeit.» Nur am Wochenende beim Joggen Vollgas zu geben, mache keinen Sinn. Es brauche Regelmässigkeit im Trainingsplan. Und dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Regeneration, also die Erholung, zu einem guten Training gehöre. Als zweiten Tipp verweist der Sportmediziner auf die Vielfältigkeit im Training: «Rennen Sie mal schnell, mal langsam, mal bergauf oder bergab, gehen Sie auch ins Gelände statt nur auf Strassen zu joggen.» Und drittens: «Üben Sie nie nur eine einzige Sportart aus.» Ausdauertraining ist gut, aber auch Kraft, Beweglichkeit und Koordination wollen trainiert werden, zum Beispiel mit Gymnastik oder Krafttraining.
Weitere Beiträge
Gendermedizin,Rollenbilder und Geschlechtsidentität
«Auch Männer sollten nicht zu schwer tragen»
Was sagen Patienten oder Angehörige, wenn der Rettungsdienst als reines Frauenteam unterwegs ist? Die diplomierte Rettungssanitäterin Corinne Zemp gibt Antworten.
Rollenbilder und Geschlechtsidentität,Gendermedizin
Sich so fühlen, wie man ist
Die sexuelle Identität entwickelt sich bei den allermeisten Kindern und Jugendlichen binär. Das heisst: Sie fühlen sich klar als Mädchen oder Jungen. Rund ein halbes Prozent aber fühlt sich in den falschen Körper hineingeboren oder kann sich mit der zugeteilten Geschlechterrolle nicht identifizieren.
Gendermedizin,Rollenbilder und Geschlechtsidentität
«Ohne Scham über alles sprechen können»
Wie reagieren Ihre Patienten, wenn sie von einer Sexualtherapeutin behandelt werden? Anne Timmermann, Urologin und Sexualtherapeutin, gibt Antwort.