GENDERGERECHTE NOTFALLMEDIZIN
Frauen zeigen häufig andere Symptome
Unser Geschlecht hat einen grossen Einfluss auf die Symptome, durch die sich Krankheiten zeigen. Gender in der Notfallmedizin sollte deshalb mehr Beachtung finden.
In der Notfallmedizin entscheiden manchmal wenige Minuten darüber, wie sich der weitere Krankheitsverlauf entwickelt. Deshalb muss eine Notfallmedizinerin, ein Notfallmediziner gut in der Diagnostik sein und rasch erfassen können, was hinter Bauchschmerzen, dem Kribbeln im Arm, Kopfweh oder dem Schwindel stecken könnte.
Nicht ganz einfach, wenn man bedenkt, dass bei derselben Erkrankung Männer und Frauen unterschiedliche Symptome zeigen. So haben Frauen etwa bei einem Herzinfarkt oft ganz andere Beschwerden als Männer. Dasselbe bei einem Schlaganfall, bei dem Frauen immer wieder Symptome wie Gliederschmerzen, Schluckbeschwerden oder Kurzatmigkeit zeigen können – die bei Männern seltener oder gar nicht auftreten.
Hingegen wird zum Beispiel die «Frauenkrankheit» Osteoporose, die Knochenbrüchigkeit, bei Männern zu wenig erkannt, weil sie viel seltener auftritt. «Die Medizin, die wir lernen, lernen wir aus Lehrbüchern, die vor allem auf Studien basieren, die fast ausschliesslich an Männern durchgeführt wurden», sagt Gregor Lindner, Chefarzt des Notfallzentrums des Bürgerspitals Solo thurn. Das heisst, bei vielen Erkrankungen gebe es schlicht zu wenig Daten, welche Symptome Frauen zeigen würden. «Wir brauchen in diesem Bereich unbedingt mehr Forschung», so Gregor Lindner.
Warum Männer häufig schwerer an Covid-19 erkranken
Weltweit treten rund 60 Prozent der Corona-Todesfälle bei Männern auf. Man weiss, dass sie grundsätzlich eine höhere Anfälligkeit für Infektionen haben können, so erkranken Männer etwa häufiger an Hepatitis A oder Tuberkulose als Frauen. Frauen haben genetisch bedingt ein besseres Immunsystem und sprechen ausserdem besser auf Impfungen an als Männer. Man führt das stärkere Immunsystem der Frauen darauf zurück, dass es im Falle einer Schwangerschaft auch das ungeborene Kind schützen muss. Frauen haben im Gegensatz zu Männern aber ein höheres Risiko einer Autoimmunerkrankung.
Viele Ärztinnen arbeiten im Notfall
Unterschiedliche Symptome zeigen, sei aber nur der eine Aspekt der Genderfrage. «Der andere», so der Chefarzt des Notfallzentrums, sei, «dass Ärztinnen ihre Patienten anders behandeln als Ärzte». So würden Ärztinnen oft mehr Zeit bei ihren Patientinnen und Patienten verbringen und mehr mit ihnen reden. «Aus Untersuchungen wissen wir, dass diese Patienten nicht nur eine höhere Zufriedenheit ausweisen, sondern auch eine geringere Sterblichkeit und eine tiefere Rehospitalisationsrate – sprich kein zweites Mal wegen derselben Erkrankung ins Spital kommen müssen.» Übrigens arbeiten in den meisten Notfallzentren etwa gleich viele Ärzte wie Ärztinnen – der Grund dafür liegt vermutlich in der guten Umsetzbarkeit von Teilzeitpensen.
Chronische Erkrankungen bei Männern und Frauen
Erkrankung
Arthrose und rheumatische Arthritis
Heuschnupfen, Allergien
Depression
Asthma
Osteoporose
Krebs
Chronische Bronchitis
Herzinfarkt
Schlaganfall
Frauen %
18,6
25,7
7,9
5,6
5,4
1,5
2,6
0,3
0,4
Männer %
10,2
22,2
5,3
4,6
0,8
1,8
2,1
0,7
0,4
Weitere Beiträge
Gendermedizin,Gendergerechte Behandlung
Anders und doch gleich
Männer werden anders krank als Frauen und Frauen anders gesund als Männer. In vielen Bereichen der Medizin bestehen grosse Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Gendermedizin,Gendergerechte Behandlung
«Patientinnen müssen die Therapie verstehen»
Bei Brustkrebs gibt es immer mehrere Behandlungsmöglichkeiten. Deshalb ist das Verständnis für die Krankheit wichtig.
Gendermedizin,Gendergerechte Behandlung
Millimetergenauer Eingriff
Auch bei Prostatakrebs gibt es selten nur einen Weg in der Therapie. Deshalb nimmt das Vorgespräch mit dem Patienten eine wichtige Rolle ein, sagt der behandelnde Arzt Dr. med. Jens Mundhenk.