3 Fragen an den Psychiater

«Es braucht einen bestätigenden Kommunikationsstil»

Stephan Michels, was ist das Wichtigste bei einer Demenzbehandlung?

Nach einer sorgfältigen Diagnostik ist es unsere Aufgabe, Perspektiven für die Behandlung und die weitere Betreuung zu entwickeln. Angehörige kommen oft mit der Erwartung, man könne bei einer Demenz kurz mal die Medikamente einstellen und gut ist es. In dieser Form funktioniert das leider nicht. Denn bei einer Demenzerkrankung ist es nebst einer angepassten Medikation genauso wichtig, dass die Lebens- und Betreuungs-situation angepasst wird.

Wie muss man sich eine stationäre Behandlung in der Alterspsychiatrie vorstellen?

Während zwei bis drei Wochen machen wir umfassende Abklärungen, behandeln die Symptomatik und haben das Ziel, den Patienten zu stabilisieren und auf den Austritt vorzubereiten. Oft ist eine Änderung der Betreuungssituation notwendig.  Wenn Angehörige – oft ist es der ebenfalls betagte Ehepartner – einen Demenzkranken zu Hause betreuen, erleben wir nicht selten eine massive Überforderung. Man muss sich bewusst sein: Wenn der Ehepartner demenzkrank wird, so lebt man nicht mehr mit demselben Menschen zusammen, den man sein Leben lang gekannt hat.

Menschen mit fortgeschrittener Demenz sind oft juristisch nicht mehr zurechnungsfähig. Wie gehen Sie in der Therapie damit um?

Ein demenzkranker Mensch ist in seiner Realität verloren und in seiner Selbstbestimmung oft überfordert. Er benötigt Sicherheit und muss im Alltag an die Hand genommen werden. Das reduziert Stress, der bei einer Demenzerkrankung besonders schädlich ist. Dazu braucht es einen bestätigenden Kommunikationsstil, der nicht auf Defiziten, sondern auf den Ressourcen aufbaut. Das ist ein Grundsatz, den wir auch bei den Betreuungsteams in den Alters- und Pflegeheimen schulen und sehr gute Erfahrungen damit machen.


Dr. med. Stephan Michels ist Leitender Arzt im Behandlungszentrum für Alterspsychiatrie der Psychiatrischen Dienste



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