LEBEN NACH EINER DEPRESSION
Am Ende der Therapie fängt es erst an
Jeder sechste Mensch erkrankt im Leben einmal an einer Depression. Manche Menschen so schwer, dass ein stationärer Aufenthalt in einer Psychiatrischen Klinik notwendig wird. Danach ist das Leben nicht mehr wie zuvor. Soll es auch nicht.
Eine Depression ist eine Krankheit, die oft eine lange Vorgeschichte hat und sich schleichend entwickelt. Typische Auslöser für Depressionen sind einschneidende Veränderungen im Leben oder Konflikte, die für Patientinnen oder Patienten unlösbar erscheinen. Das kann etwa ein Rollenwechsel sein, wenn man als Elternteil plötzlich stark gefordert ist; oder auch die Kündigung des Jobs, der Verlust eines geliebten Menschen oder eine berufliche Belastungssituation.
«Meistens spielen chronische Stressbelastungen und Schlafstörungen eine Rolle, sodass sich der Einzelne den Herausforderungen nicht mehr gewachsen sieht», sagt PD Dr. med. Thorsten Mikoteit, Leitender Arzt des Behandlungszentrums für Angst und Depression der Psychiatrischen Dienste der Solothurner Spitäler. «Am Anfang der Therapie steht dann die Einsicht, dass man sich helfen lassen muss. Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu den Helfenden und die Verbesserung des Schlafes sind erste Schritte in die richtige Richtung. Der Schlaf ist wichtig, um unsere Erlebnisse und Emotionen verarbeiten zu können.» Deshalb werden nach dem Eintritt in die Klinik als erstes Massnahmen besprochen, wie Patienten wieder durchschlafen können. «Viele sehen die Welt nach einer Woche mit genügend Schlaf bereits wieder mit anderen Augen. In dieser Zeit können dann auch andere Massnahmen wie Medikamente und andere Therapieformen langsam greifen. In der Psychotherapie kann man anschliessend beginnen, an Lösungen zu arbeiten», so Thorsten Mikoteit.
Typische Symptome einer Depression
- Traurige, gedrückte Stimmung, manchmal bis zum Gefühl, gar keine Gefühle mehr zu haben
- Vermindertes Selbstwertgefühl
- Interessensverlust
- Schlafstörungen
- Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
- Verminderter Antrieb und ein Gefühl der Energielosigkeit
- Appetitverlust
- Körperliche Symptome wie Schmerzen und Verdauungsbeschwerden
- Selbstmordgedanken bis hin zu suizidalen Handlungen
Aufgehoben in der Tagesstruktur
Im Behandlungszentrum für Angst und Depression stehen den Patienten zahlreiche Therapieangebote zur Verfügung: Gespräche mit Psychotherapeuten, Gruppengespräche, aber auch Ergo-, Kunst- oder Bewegungstherapien sowie das Erlernen von Methoden zur Stressbewältigung. Anders als in einem somatischen Spital, wo körperliche Leiden behandelt werden, geht es in der Psychiatrie ganz zentral auch um Hilfe zur Selbsthilfe. Ein Klinikaufenthalt bedeutet für Menschen mit einer schweren Depression oftmals wieder ein Leben, in dem sie sich aufgehoben fühlen, in dem sie Hilfe in der Alltagsstrukturierung bekommen.
Zentrum für Angst und Depression
In Solothurn und Olten bieten die Psychiatrischen Dienste der Solothurner Spitäler ambulante, tagesklinische und stationäre Therapien an. Die Zuweisung erfolgt durch Fachärzte, Psychotherapeuten oder durch den Hausarzt. Selbstverständlich können sich Patientinnen und Patienten auch direkt anmelden.
Besuche im alten Leben
«Für den Austritt aus der stationären Therapie müssen sich die Patienten ausreichend sicher fühlen», so der stv. Chefarzt Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Patienten, die draussen wieder ihren Tritt fassen können, gehen in der Regel gerne. Dann gibt es aber auch Patientinnen und Patienten, die Angst haben, wieder in den Alltag zurückzukehren. Bei ihnen löst ein Austritt aus der Klinik Ängste aus, denn im alten Leben gab es ja Gründe, weshalb man an einer Depression erkrankte. Deshalb plane man bei einem stationären Aufenthalt bereits nach zwei Wochen schon den Austritt aus der Klinik und bereitet die Patienten schrittweise darauf vor. «Zur Erprobung der Belastbarkeit ermutigen wir unsere Patienten, zum Beispiel an Wochenendtagen wieder Zeit zu Hause zu verbringen.» Es gehe darum, das in der Klinik Erlernte im privaten Alltag auszuprobieren. Auch der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben werde durch erste Arbeitsplatzbesuche vorbereitet. Die Kontakte zu Vorgesetzten und Arbeitskollegen seien wichtig, um Schwellenängste abzubauen. «Wir empfehlen den Patienten bei diesen Besuchen übrigens, ihre Erkrankung anzusprechen – auch wenn es vielen schwerfällt.» Die allermeisten Arbeitgeber reagierten sehr positiv auf eine solche Offenheit.
Pandemie: Starker Anstieg der psychischen Belastungen
Eine Umfrage der Universität Basel bei 11 000 Personen aus der ganzen Schweiz zeigt, dass sich der Anteil an Personen mit schweren depressiven Symptomen zwischen dem ersten und zweiten Lockdown verdoppelt hatte und auf 18 Prozent stieg. Vor der Pandemie waren es 3 Prozent. Stark gestiegen ist auch die Anzahl Personen mit Angststörungen.
Notfallplan ist wichtig
Wenn am Ende ein Patient aus dem stationären Aufenthalt nach Hause geht, so gibt es stets ein Entlassungsgespräch mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt, zusammen mit dem gesamten Behandlungsteam. Die Patienten gehen zusammen mit fixen Terminen für die ambulante Weiterführung der Therapie, mit Medikamentenverordnungen, einem Wochenplan und – ganz wichtig – einem Notfallplan. Denn: «Rückfälle sind immer möglich. Wissen die Patienten aber, wohin sie sich bei einer erneuten Krise wenden können, gibt ihnen das Sicherheit», so Thorsten Mikoteit.
Im Notfall
Notfall- und Krisenambulanz Solothurn. T 032 627 11 11
Notfall- und Krisenambulanz Olten. T 062 311 52 10
Weitere Informationen
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