Zwei Ärzte halten ein Modell eines Oberschenkel-Gelenks in den Händen.

Orthopädie

Der richtige Zeitpunkt

Wer im Alltag unter Beschwerden durch Arthrose leidet, denkt früher oder später über ein künstliches Gelenk nach. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt dafür, und wie lange hält ein künstliches Gelenk? Eine Übersicht über die wichtigsten Fragen und Antworten mit Dr. med. Björn Zappe, Facharzt für Orthopädische Chirurgie in der crossklinik am Spital Dornach.

Wann ist der richtige Zeit­ punkt dafür, über ein künstliches Gelenk nachzudenken?
Personen, die im Alltag durch Be­schwerden wie eingeschränkte Mo­bilität oder dauerhafte Schmerzen beeinträchtigt werden, stehen oft vor schwierigen Entscheidungen. «Wenn Schmerzmittel notwendig sind, um sich überhaupt noch bewegen zu können, oder soziale Aktivitäten wie Wandern, Theaterbesuche oder Kino­besuche nicht mehr möglich sind, wird der Alltag zunehmend belas­tend», erklärt Björn Zappe. «Wichtig ist jedoch: Der Zeitpunkt für eine Operation wird vom Patienten selbst bestimmt, nicht von einem Röntgen­bild, MRT oder Orthopäden.» Der Grad der Abnutzung eines Gelenks, der jeweils im Röntgenbild sichtbar wird, spielt laut Björn Zappe keine entscheidende Rolle für den Erfolg einer Behandlung. «Selbst bei star­ker Arthrose kann eine Operation ge­nauso gut verlaufen wie bei leichter Abnutzung», erklärt der Facharzt. Besonders häufig würden Patien­tinnen und Patienten in den grossen Gelenken wie Knie, Hüfte und Schul­ter unter Schmerzen leiden. Aber auch kleinere Gelenke, beispielswei­se am Daumen, können betroffen sein – diese treten häufig bei Frauen auf, die körperlich gearbeitet hätten. Unabhängig davon, wann man sich für eine Operationen entscheidet: Es lohnt sich laut Björn Zappe, sich auf den Termin körperlich vorzuberei­ten: «Um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, sollte man bereits vor der Operation mit dem Training von Kraft, Koordination und Balance beginnen und dies auch nach der Ope­ration fortsetzen.»

Wie lange sind künstliche Gelenke haltbar?
Früher mussten Prothesen, vor allem das sogenannte Inlay, eine Schicht, die zwischen den festen Teilen der Prothese sitzt, nach etwa 8 bis 12 Jah­ren ausgetauscht werden. Heute hält dieses Material – durch moderne Ver­fahren wie die Behandlung mit Gam­ma­Strahlen – bis zu 15 oder sogar 20 Jahre. Die Reibung und der Abrieb, die früher grosse Probleme verur­sachten, sind heute deutlich geringer. «Ein weiteres wichtiges Werkzeug zur Verbesserung der Qualität ist das Prothesenregister», erklärt Björn Zappe. Hier werden alle eingesetzten Prothesen, ihre Hersteller und der be­handelnde Arzt erfasst. «Wenn eine Prothese nicht wie erwartet funktio­niert und ersetzt werden muss, wird das ebenfalls dokumentiert. Dadurch können wir als Ärzte nachvollziehen, welche Prothesenmodelle sich in der Praxis bewährt haben. Es ist ein wertvolles Instrument für die Quali­tätskontrolle und hilft uns, die besten Produkte für unsere Patienten auszu­wählen.»

Wie hat sich der Bereich der Orthopädie in den vergangenen Jahren verändert?
«Seit ich 2002 als Arzt begann und 2008 zum orthopädischen Facharzt wurde, hat sich viel verändert», er­innert sich Zappe. Daneben, dass die Implantate heute länger haltbar seien, hätten sich auch die Abläufe verändert: «Der Einsatz technischer Hilfsmittel wie Computer und neu­er Programme hat die Planung und Durchführung von Operationen re­volutioniert. Seit einigen Jahren kom­men auch Roboter zum Einsatz, die den Operateur unterstützen, indem sie beispielsweise die Führung des Sägeblatts übernehmen.» Seine Aufgabe bereite ihm nach wie vor Freude, so der Facharzt: «Es ist wunderschön zu sehen, wie zu­frieden die Patienten nach einer er­folgreichen Operation in die Sprech­stunde zurückkommen.»

Wie lange braucht man, um sich nach einer Operation zu erholen?
Komplikationen bei Gelenkersatz­operationen seien selten, da es sich um standardisierte Eingriffe handle. «Natürlich gibt es bei jedem Patien­ten individuelle Unterschiede, aber Überraschungen sind eher selten, da wir die Eingriffe sehr gut planen kön­nen», erklärt der Facharzt. Nach einer Hüftoperation sind Patienten in der Regel vier Tage im Krankenhaus, nach einer Knieope­ration etwa fünf Tage, so Zappe. «Die anschliessende Reha erfordert viel Geduld, ist aber entscheidend für den Erfolg der Operation», mahnt er. Bei Kniegelenken sei der Hei­lungsprozess jedoch langwieriger es könne bis zu einem Jahr dauern, bis das neue Kniegelenk voll funkti­onsfähig sei. «In dieser Zeit können Spannungen, Schwellungen und das Gefühl einer Einschränkung auf­treten», so Björn Zappe. Auch hier gelte es, Geduld zu haben und das Knie mit sorgfältigem Training wie­der aufzubauen. Und auch wenn mit einem neuen Gelenk die Lebensqualität entschei­dend verbessert werden könne, gelte es, keine allzu hohen Erwartungen zu haben. «Einige Patienten haben sehr hohe Ansprüche. Sie hoffen beispielsweise, nach der Operation wieder Ski fahren zu können. Aller­dings gilt: Wer in den 20 Jahren vor der Operation keinen Sport gemacht hat, wird dies auch danach nicht tun. Man muss realistisch bleiben – wer 80 Jahre alt ist, bleibt auch mit künst­lichem Gelenk 80 Jahre alt.»

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