Hirnverletzung
Neu programmiert durch den Alltag
Nach Hirnverletzungen können die Betroffenen meistens lernen, den Alltag trotz Einschränkungen wieder zu bewältigen. Strategien dafür lernen sie unter anderem in der Ergotherapie.
Eine Schädigung des Gehirns hat oft schwerwiegende Folgen. Ein Hirnschlag, eine Hirnhautentzündung oder ein Schädel-Hirn-Trauma können dazu führen, dass früher alltägliche Handlungen nicht mehr wie bisher ausgeführt werden können. Das gilt etwa für das alltägliche Zähneputzen oder das Anziehen der Jacke, aber auch für das korrekte Wahrnehmen des Raumes oder das Erkennen von Gegenständen.
Verletzung mit Folgen
Nach einer Hirnverletzung ist deshalb vieles anders. Nicht nur müssen Betroffene und Angehörige mit dem Ereignis fertig werden, sondern sie müssen lernen, das Leben neu zu strukturieren und zu bewältigen. Eine herausfordernde Aufgabe, bei der es gezielte Unterstützung braucht. Unter anderem von Irene Schmid und Sandra Brunner, Ergotherapeutinnen im Bürgerspital Solothurn.
Sandra Brunner und Irene Schmid beginnen schon früh damit, Patientinnen und Patienten nach einer Hirnverletzung zu betreuen. Sie besuchen die Betroffenen auf der Station, manchmal sogar noch auf der Intensivstation. Sie informieren sich bereits vor dem Besuch, welche Verletzung in welchem Areal des Gehirns vorliegt. Trotzdem bestehen die ersten Stunden der Therapie darin, in Handlungen zu beobachten und mit den Patientinnen und Patienten zu sprechen. Zum einen, um zu sehen, ob Alltagsvorgänge wie Kämmen oder Anziehen gut klappen. Zum anderen, um zu hören, wie die Betroffenen ihre Umgebung und ihren Zustand wahrnehmen.
Denn auch wenn sich Verletzungsbilder gleichen mögen: Jedes Gehirn ist anders, und jeder Patient und jede Patientin reagiert anders auf eine Verletzung. Um die Betroffenen erfolgreich zurück in den Alltag begleiten zu können, braucht es eine individuelle und sorgfältige Abklärung.
Den Raum und Bewegungen neu erlernen
Eine häufige Folge einer Hirnverletzung, so erklärt Sandra Brunner, ist die Apraxie. Bei der Apraxie ist die Gehirnregion betroffen, welche für die Planung, den Gebrauch von Gegenständen und für Bewegungsabläufe zuständig ist.
Sandra Brunner hilft den Patientinnen und Patienten, die eine Apraxie haben, einfache Alltagshandlungen wieder zu erlernen. Zum Beispiel das Zähneputzen. Nach der Verletzung ist es möglich, dass die Gebrauchsanweisung für die Zahnbürste plötzlich fehlt. Sie wird verkehrt herum gehalten oder für eine andere Tätigkeit verwendet – etwa das Kämmen der Haare.
«Wichtig ist, dass man die Betroffenen nichts falsch machen lässt», erklärt die Ergotherapeutin. «Wenn ich beobachte, dass die Zahnbürste falsch herum gehalten wird, dann stoppe ich den Ablauf und frage nach, ob sich etwas komisch anfühlt. Häufig merken die Patientinnen und Patienten bereits selbst, dass etwas nicht stimmt. Gemeinsam suchen wir den Fehler und versuchen, den Bewegungsablauf anzupassen. Wenn nötig, helfe ich bei der Bewegungsausführung.»
Routine stärken
In einer Therapiestunde üben die Betroffenen Alltagsaktivitäten, die nicht mehr funktionieren. Ziel ist es, das Gehirn neu zu vernetzen: das Gehirn soll wieder lernen auf die Routine zuzugreifen. Die Routine ist in einem anderen Gehirnareal angesiedelt und bei einer Apraxie nicht betroffen. Häufig klappt das gut, sagt Sandra Brunner. «Probleme kann es aber geben, wenn sich plötzlich etwas ändert. Etwa, wenn eine Flasche plötzlich keinen Schraubdeckel, sondern einen Klappdeckel hat. Das kann für Verwirrung sorgen.» Sandra Brunner und Irene Schmid begleiten die Patientinnen und Patienten oft über längere Zeit. Die Therapie wird abgeschlossen, wenn die Betroffenen den Alltag wieder nach ihren Vorstellungen bewältigen können. Dieser Moment ist auch für die Ergotherapeutinnen immer wieder ein Erfolg. «Zu sehen, wie die Menschen ihr Leben wieder Schritt für Schritt zurückgewinnen, ist das Schönste an unserem Beruf», so Irene Schmid.
Minderbelastbarkeit bei unsichtbaren Folgen nach einer Hirnverletzung
Eine häufige Folge einer Hirnverletzung ist das Symptom der Minderbelastbarkeit. Auch bei Verletzungen ohne von aussen sichtbaren Folgen sind Betroffene rascher ermüdet und brauchen mehr Erholungszeit oder Pausen. Die Dauer der Konzentration z.B. im beruflichen Alltag ist vermindert. Dies ist für das Umfeld und die Betroffenen oft schwierig zu verstehen. Die ambulante Ergotherapie kann Strategien vermitteln und gezielte Informationen an alle Beteiligten geben.
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