Schlaganfall und Herz 

Das kleine Loch im Herz 

Bei jungen Schlaganfallpatientinnen und Patienten wird oft auch das Herz genau untersucht. Isabell Greeve, Neurologin und Co-Chefärztin der Klinik für Neurologie des Kantonsspitals Olten, über den möglichen Zusammenhang zwischen Kopf und Herz.

Fast ein Viertel der Bevölkerung lebt damit, ohne es zu wissen: Mit einer kleinen Öffnung zwischen den Herzvorhöfen, in der Medizin bekannt als PFO (Patent Foramen Ovale). Dieses kleine Loch ist in der menschlichen Entwicklung notwendig. Vor der Geburt funktioniert die Lunge noch nicht, der notwendige Sauerstoff wird über das Blut bezogen. Dieses Blut soll direkt in den Körperkreislauf gelangen, ohne den Umweg über die inaktive Lunge zu nehmen. Durch die kleine Öffnung zwischen den beiden Vorhöfen gelangt das Blut – und damit der Sauerstoff – also in den Körperkreislauf, ohne die Lunge zu benötigen. 

 

Genau hinschauen bei jungen Patienten

Das kleine Loch schliesst sich in der Mehrheit der Fälle nach der Geburt wieder. Aber was, wenn das nicht passiert? In den meisten Fällen, betont Neurologin Isabell Greeve, ergeben sich daraus keine Probleme. Allerdings schaut sie immer dann genau hin, wenn sie jüngere Schlaganfallpatientinnen und Schlaganfallpatienten vor sich hat, die keine für diese Altersgruppe übliche Form eines Schlaganfalls erlitten haben. Besonders häufig wären in diesem Alter beispielsweise Schlaganfälle durch Gefässverletzungen oder Gerinnungsstörungen.   Werden diese Ursachen ausgeschlossen, gerät das Herz in den Fokus. Mit verschiedenen Tests wird geprüft, ob ein PFO vorliegt, und ob es das Schlaganfallrisiko der betroffenen Person erhöht.

Die Lücke im Sicherheitssystem

Um zu verstehen, warum ein PFO gefährlich werden kann, muss man sich den normalen Blutkreislauf vor Augen führen. Normalerweise entstehen gelegentlich kleine Blutgerinnsel im venösen System, beispielsweise in den Bein- oder Beckenvenen. Diese gelangen über das venöse System zum rechten Herzen, das sie in die Lunge pumpt. Die Lunge fungiert dabei als natürlicher Filter. Kleine Gerinnsel bleiben hängen und werden vom Körper aufgelöst. Das gereinigte Blut fliesst anschliessend zum linken Herzen und wird von dort ins Gehirn gepumpt.

Bei Menschen mit einem offenen PFO kann dieser Schutzmechanismus jedoch umgangen werden. Wenn der Druck im rechten Herzen durch Husten, Pressen oder körperliche Anstrengung kurzzeitig ansteigt, kann Blut – und mit ihm kleine Blutgerinnsel – durch die Öffnung direkt vom rechten in den linken Vorhof gelangen. Verstopft ein solches Gerinnsel eine Hirnarterie, kommt es zum Schlaganfall. Ausgelöst werden kann das durch hohen Druck – etwas durch starkes Husten oder zu schweres Heben.

Enger Austausch mit der Kardiologie

Die gute Nachricht: ein PFO kann auch wieder verschlossen werden. Besonders bei jüngeren Menschen mit wenigen Risikofaktoren entscheide man sich für diesen Eingriff, erklärt Isabell Greeve. Dafür arbeitet der Bereich der Neurologie eng mit der Kardiologie zusammen. Mit Hilfe eines Herzkatheters wird je ein kleines Schirmchen auf beide Seiten des Lochs platziert. Mit der Zeit werden die Schirmchen von Gewebe umschlossen, und verschliessen das Loch somit langfristig.

Diesen hilfreichen Eingriff präventiv durchzuführen, macht laut der Co-Chefärztin aber wenig Sinn. „Es ist und bleibt ein Eingriff, bei dem es auch Komplikationen geben kann. Das Risiko eines Eingriffs muss kleiner sein als das Risiko, dadurch einen Schlaganfall zu erleiden“, betont sie. Letztendlich sei ein PFO eine Laune der Natur, mit der die Mehrheit der Betroffenen ohne Beschwerden leben könne.



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