Herzchirurgie am Inselspital

Ein neues Herz

Eine Herztransplantation ist dann notwendig, wenn die Herzfunktion langfristig schwer eingeschränkt ist. Dank dem technischen Fortschritt könnte sich die Verfügbarkeit von Spenderorganen in Zukunft verbessern.

Eine Herztransplantation ist ein hochkomplexer Eingriff, der in der Schweiz in drei grossen Spitälern durchgeführt wird: im Inselspital in Bern, im Universitätsspital Zürich und im Universitätsspital in Lausanne. Patientinnen und Patienten aus dem Kanton Solothurn, die für eine Herztransplantation in Frage kommen und sich für diesen Eingriff entscheiden, wählen aus geografischen Gründen oft das Inselspital als Behandlungsort. Am Inselspital ist unter anderem Dr. med. Bruno Schnegg, Oberarzt für Kardiologie, für die Vor- und Nachbetreuung dieses komplizierten Eingriffs zuständig. Eine Herztransplantation, so erklärt er, sei der letzte Schritt in einer langen Behandlungskette. «In der Konstellation einer schrittweisen Verschlechterung der Lebensqualität trotz optimaler Therapie erfolgt eine Vorstellung in einer spezialisierten Herzinsuffizienzsprechstunde. Dort wird in einem ersten Gespräch erklärt, was eine Herztransplantation mittel- und langfristig bedeutet und wie der Weg auf die Warteliste abläuft», so der Oberarzt. Wenn der Patient oder die Patientin grundsätzlich geeignet ist, folgen weitere Untersuchungen. Dabei wird geprüft, ob chronische Infektionen oder Krebserkrankungen vorliegen. Auch die psychische Stabilität wird beurteilt.


Warten auf ein Spenderherz
 Sind die Abklärungen getroffen, beginnt für die Patientinnen und Patienten das Warten. «Die Herztransplantation ist eine besondere Erfahrung, die jeder Patient unterschiedlich erlebt. Für manche kann die Wartezeit sehr belastend sein», weiss Bruno Schnegg. Doch gerade im Bereich der Wartezeit hat sich in diesem Jahr viel bewegt: «In der Schweiz und weltweit hat der Einsatz eines Transportgeräts für schlagende Herzen, des Organ Care Systems (OCS), grosse Veränderungen gebracht. Dieses System verlängert die Haltbarkeit des Herzens ausserhalb des Körpers, sodass auch Organe aus weit entfernten Regionen für Transplantationen genutzt werden können», erklärt er. «Dadurch steigt die Chance, dass ein in einem europäischen Land angebotenes Organ an einem ganz anderen Ort transplantiert werden kann, erheblich.» Erst im vergangenen Winter ist es einem Team des Inselspitals gelungen, ein Herz erfolgreich zu transplantieren, das fast zwölf Stunden ausserhalb des Körpers aufbewahrt wurde. Bevor Transporte mit dem Organ Care System durchgeführt wurden, betrug die Überlebenszeit eines Herzens ausserhalb des Körpers maximal vier Stunden.

Komplexes Zusammenspiel
Auch wenn die Zahl der möglichen Spenderherzen also in Zukunft steigen könnte, bleibt die Suche nach einem passenden Organ eine knifflige Angelegenheit. «Unsere Aufgabe als Transplantationsteam besteht darin, für jedes angebotene Herz zu prüfen, welcher Patient am besten passt, und eine medizinisch sinnvolle und gerechte Zuteilung vorzunehmen», erklärt Bruno Schnegg. «Sobald ein Herz einem Patienten zugewiesen ist, beginnt ein komplexes logistisches Zusammenspiel. Ein chirurgisches Team reist zum Spital des Spenders, um das Herz zu entnehmen, während parallel ein anderes Team die Empfängerin oder den Empfänger vorbereitet.» Befindet sich der Spender oder die Spenderin im Ausland, muss das Entnahmeteam durch zusätzliches Fachpersonal ergänzt werden, das für den Betrieb des Transportsystems zuständig ist – der Transport selbst erfolgt je nach Entfernung per Ambulanz, Flugzeug oder Helikopter.

Intensive Nachsorge
Die Herztransplantation an sich dauert zwischen sechs und zehn Stunden. Danach werden die Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation eng betreut. Im besten Fall dauert diese Nachbetreuung wenige Tage, bei schlechteren Verläufen mehrere Wochen. Schrittweise kehren die Patientinnen und Patienten dann wieder in ihren Alltag zurück. Dazu gehört auch, zu lernen, wie Infektionen vermieden werden und welche Medikamente eingenommen werden müssen. Zwischen acht und zwölf Medikamente müssen im ersten Jahr nach dem Eingriff eingenommen werden, danach kann diese Zahl laut Bruno Schnegg in den meisten Fällen reduziert werden.

Im ganzen Prozess sind unterschiedliche medizinische Fachbereiche beteiligt. Chirurgie und Kardiologie, aber auch Physio- und Psychotherapie spielen eine wichtige Rolle. «Oft begleiten wir die Patientinnen und Patienten über viele Jahre – vor der Transplantation, während des Eingriffs und in der chronischen Nachsorge», erklärt der Kardiologe. Durch die enge Begleitung sei es für das Transplantationsteam dann auch nicht leicht, wenn eine Behandlung nicht wie gewünscht gelinge. «Wenn sich der Zustand eines Patienten verschlechtert oder wir leider mit dem Tod eines jungen, dem Team gut bekannten Patienten konfrontiert sind, den wir teilweise über Monate begleitet haben, kann dies sehr belastend sein.» Im Team würden solche Fälle regelmässig besprochen, und ein Team von Kardio-Psychologinnen und -psychologen bietet zusätzlich Unterstützung.

Ein Brief an die Angehörigen
Auch Patientinnen und Patienten, die erfolgreich behandelt wurden, müssen einen Umgang damit finden, das Herz eines anderen Menschen in sich zu tragen. Hilfreich ist für viele von ihnen laut Bruno Schnegg ein Angebot der Stiftung Swisstransplant, die im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) die Warteliste der Organempfängerinnen und Organempfänger führt und für eine gesetzeskonforme Zuteilung der Organe zuständig ist. «Ein Jahr nach der Operation haben die Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, der Familie ihres Spenders einen anonymen Brief zu schreiben», erklärt der Oberarzt. «Diese Möglichkeit wird von den meisten Betroffenen sehr geschätzt.»



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