Integrierte Medizin
Gesund leben lernen
Viele chronische Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht beeinflussen auf lange Sicht die Herzgesundheit. Doch was, wenn wir diese Gesundheitsrisiken frühzeitig erkennen und gezielt angehen könnten? Genau hier setzt ein innovatives Konzept an: die Gesundheit mit Prävention nachhaltig verbessern und so das Wohlbefinden steigern.
Integrierte Prävention und Rehabilitation (iPR) – das tönt erst einmal etwas sperrig. Und doch ist es ein Behandlungsansatz, der eben genau das nicht sein will. Im Gegenteil: Menschen mit chronischen Erkrankungen werden nicht allein gelassen, sondern auf ihrem Weg zu einer gesünderen Zukunft von einem starken Team aus Fachleuten unterstützt. «Wir möchten Patientinnen und Patienten nicht nur eine Diagnose stellen, sondern ihnen auch konkrete, umsetzbare Wege aufzeigen, wie sie ihre Gesundheit und Lebensqualität nachhaltig verbessern können», erklärt Dr. med. Tobias Schön, Kardiologe und verantwortlich für den Medizinbereich iPR der soH. Als Experte für diesen als «Integrierte Versorgung» bezeichneten Behandlungsansatz entwickelt er Behandlungswege, die die besten Elemente aus verschiedenen Fachdisziplinen und aus Prävention und Rehabilitation vereinen, um patientenzentriert Menschen auf dem Weg zu einer besseren Gesundheit zu begleiten.
Gemeinsam zum Ziel
Das Besondere an der integrierten Prävention und Rehabilitation (iPR): Die Patientinnen und Patienten stehen im Zentrum eines ganzen Teams von Spezialisten. Nach der Diagnose – sei es nach dem Herzinfarkt, bei Diabetes oder einer Lungenerkrankung – wird ein individueller Behandlungsplan erstellt, an dem ein Team aus Ärztinnen und Ärzten, Ernährungsberaterinnen, Sport- und Bewegungstherapeuten, Physiotherapeuten und Psychotherapeutinnen mitwirkt. «Unser Ziel ist es, die Menschen aktiv in ihre Behandlung einzubeziehen, damit sie die Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen können», so Tobias Schön, der das Projekt entwickelt hat und massgeblich vorantreibt. Während in der Akutversorgung die Fähigkeiten des Herzspezialisten gefragt sind, braucht es danach und gerade in der Rehabilitation den partizipativen Ansatz, bei dem die Betroffenen aktiv mitentscheiden und Eigenverantwortung übernehmen. Bis zu einem Jahr werden Patientinnen und Patienten eng begleitet, je nach Programm, das sie absolvieren. Zu Beginn finden bis zu drei Trainingseinheiten in der Woche in der soH statt, schrittweise übernehmen die Patientinnen und Patienten dann daheim mehr Verantwortung. Besonders Gruppentrainings sind beliebt, da der Austausch mit Gleichgesinnten motiviert und oft auch Spass macht.
Lebensstil im Fokus
Die meisten Erkrankungen, die im Medizinbereich iPR behandelt werden, sind eng mit unserem heutigen Lebensstil verknüpft: Bewegungsmangel, zu viel Sitzen, ungesunde Ernährung und anhaltender Stress – all das begünstigt die grossen Volkskrankheiten unserer Zeit: Herzinfarkte, Schlaganfälle, Diabetes, Übergewicht oder auch chronische Lungenerkrankungen. «Um den Teufelskreis zu durchbrechen, ist es notwendig, die eigene Lebensweise zu verändern», betont der Kardiologe hinter dem Konzept. Das bedeutet: mehr Bewegung, gesündere Ernährung sowie Stressreduktion im Alltag. Nur so gelingt die Umstellung langfristig.»
Bewegung als Schlüssel zur Gesundheit
Ein besonders wichtiger Bestandteil der integrierten Prävention ist die körperliche Bewegung. Sie spielt eine entscheidende Rolle im Verlauf der meisten chronischen Erkrankungen, da sich regelmässige Bewegung positiv auf den Verlauf auswirkt. Schon zwei Wochen nach einem Herzinfarkt können Patienten, die wieder angeleitet Sport treiben, ihren Herzmuskel stärken und sich für zu[1]künftige Belastungen wappnen. Selbst der Verlauf von Krebserkrankungen wie z. B. Brustkrebs lässt sich durch Bewegung positiv beeinflussen und das Rückfallrisiko reduzieren. Dabei muss es nicht einmal Hochleistungssport sein – im Gegenteil: moderate, dafür regelmässige Belastung ist die beste Methode, um die Gesundheit zu fördern. «Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass intensives Training nötig ist, um Fett zu verbrennen», erklärt Tobias Schön. Hier kommen Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler ins Spiel, die im Programm eine zentrale Rolle spielen. Sie vermitteln nicht nur die richtige Trainingsform, sondern sorgen auch dafür, dass Bewegung und Kräftigung Spass machen und in den Alltag integriert werden können. Das Training ist stufengerecht und sorgt dafür, dass sich niemand überfordert oder unterfordert fühlt. «Das ist der Schlüssel zum langfristigen Erfolg», so Tobias Schön. Dieses Zusammenspiel von Theorie und Praxis war früher oft das fehlende Puzzleteil. «Als Ärztinnen und Ärzte kennen wir die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wir wissen, was nötig ist, damit es Patientinnen und Patienten besser geht. Aber dieses Wissen tatsächlich in den Alltag der Patientinnen und Patienten zu integrieren, erfordert eine andere Expertise und therapeutische Fähigkeiten.»
Breite Unterstützung für den neuen Ansatz
Der Medizinbereich iPR strebt mit seiner qualitätsorientierten und integrierten Versorgung einen Paradigmenwechsel an, für den breite Unterstützung erforderlich ist. Diesen Support durfte Dr. med. Tobias Schön von Anfang an von der ärztlichen Direktion und der Standortdirektion erfahren. Während die ärztliche Direktion innovative Behandlungsansätze fördert, schafft die Standortdirektion die notwendigen Voraussetzungen für dieses Projekt. Die ärztliche Direktorin Dr. med. Katharina Rüther-Wolf und der Standortdirektor Dieter Hänggi betonen die Bedeutung interprofessioneller Zusammenarbeit, transparenter Ergebnismessung und praktisch umgesetzter integrierter Versorgung, wie sie im iPR entwickelt wird, für die zukünftige Gesundheitsversorgung. Auch Christoph Schröder, Pflegedirektor und Mitglied im Steuerungsausschuss des iPR, unterstreicht die Bedeutung der rehabilitativen Behandlung zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit. Angesichts der demografischen Entwicklung sei dies ein immer wichtiger werdender Pfeiler unserer Gesellschaft.
Und die Erfolge sprechen für sich: In den allermeisten Fällen verbessern sich die Werte der Patientinnen und Patienten deutlich. Das zeigen die Daten, die im Rahmen des Programms an der soH bisher erfasst wurden. Dabei werden nicht nur Angaben wie das Körpergewicht oder die Lungenkapazität erfragt, sondern auch das psychische Wohlbefinden wird erhoben. Und es zeigt sich: Häufig geht es den Patientinnen und Patienten sogar besser als vor ihrer Erkrankung. «Das liegt daran, dass sie während der Behandlung lernen, auf sich zu achten und Freude am gesünderen Lebensstil entwickeln», erklärt Tobias Schön.
Hören Sie unseren Podcast „SO gesund“
Herzinfarkt. Schlaganfall. Und schon findet man sich im Spital wieder. Nach wenigen Tagen geht es bereits wieder nach Hause. Ist nun alles wie zuvor? – Nein, denn nun beginnt die Rehabilitationsbehandlung. Im Podcast sprechen Dominik Lüdi und Kardiologe Tobias Schön über Wege zurück in den Alltag, über Herausforderungen, Fortschritte und die Bedeutung einer ganzheitlichen Nachsorge.
Gesundheitswoche Radio 32
Im Gespräch mit Dr. med. Tobias Schön, Kardiologe und verantwortlich für den Medizinbereich iPR der soH. Hören Sie rein.
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