Chirurgie

Detail versessen und kompromisslos

Wie war der erste Schnitt? Welche Fertigkeiten muss eine Chirurgin, ein Chirurg haben? Wohin führt der Trend zur Spezialisierung? Antworten im Gespräch mit Dr. med. Philippe Glauser, Chefarzt Chirurgie Spital Dornach.

Philippe Glauser, was ist das Attraktive an der Allgemein- und Viszeralchirurgie?

Das breite Spektrum macht diese beiden Fächer sehr interessant. Im Gegensatz zu einem Spezialisten operieren Sie nicht jeden Tag dasselbe Organ, sondern haben zahlreiche Herausforderungen. Dank der Allgemein-, aber auch dank der Spezialchirurgie können wir am Spital Dornach rund 70 Prozent aller Operationen abdecken.

In der Chirurgie gibt es den Trend zur Spezialisierung. Ist das gut oder schlecht?

Ich glaube, es ist sinnvoll, dass bei sehr seltenen Eingriffen eine Mindestzahl festgelegt wird. Die Frage ist: Was ist eine gute Mindestzahl? Wir brauchen zum Beispiel keine Spezialistinnen oder Spezialisten für sehr häufige Eingriffe. Hingegen ergibt es durchaus Sinn, bei komplexen Ein- griffen wie Bauchspeicheldrüsenoperationen eine Mindestfallzahl vorzuschreiben. Man muss sich jedoch immer wieder fragen: Ergibt es Sinn, sich immer mehr auf ein einziges Organ oder auf eine einzige Erkrankung festzulegen?

Welche Eigenschaften muss eine angehende Chirurgin, ein angehender Chirurg haben?

Ich glaube man muss detailversessen und kompromisslos sein. Auch wenn Sie etwas schon hundertmal gemacht haben, dürfen Sie nie nachlassen. Sie müssen einen Eingriff hundert Mal in derselben Tonqualität durchfuhren. Die akute Behandlung ist erst dann beendet, wenn die Patientin, der Patient wieder zu Hause ist. Sich wahrend eines Eingriffs mehrere Stunden lang hundertprozentig fokussieren zu können, fallt nicht allen jungen Chirurginnen und Chirurgen einfach. Aber man kann es lernen. Braucht es eine hohe Fingerfertigkeit? Man sollte nicht gerade zwei linke Hände haben. Aber die Sache mit den magischen Händen, das ist Hollywood. Chirurgie ist zu einem guten Stück auch Handwerk und auch das kann gelernt werden.

Chirurgen, sagt man manchmal, seien nicht die begnadeten Kommunikatoren? Für mich ist es keine Frage, dass man auch kommunizieren können muss. Am Ende geht es darum, dass wir eine vernünftige Medizin machen. Nicht jedes Resultat bei einem Eingriff lasst sich exakt voraussagen. Deshalb müssen wir herausfinden, was die Patientin oder der Patient mochte. Diese Entscheidung sollten wir immer zusammen mit den Patienten fallen – und dafür braucht es ein Gespür für Menschen.

Wie schätzen Sie das chirurgische Niveau der Schweiz ein?

Sehr hoch. Und ich hoffe, dass es so hoch bleibt. Was mir Sorgen bereitet, ist der fehlende Nachwuchs in der Allgemeinchirurgie. Auch wir spuren den Trend, dass viele Arztinnen und Arzte in ein Spezialgebiet wechseln mochten. Genauso wie wir eine gute Hausarztmedizin brauchen, brauchen wir auch gute Allgemeinchirurginnen und -chirurgen.

Können Sie sich an Ihren ersten Schnitt erinnern?

Den vergisst man nicht. Ich war erstaunt, wie fest man drucken muss, damit man durch die Hautoberflache kommt. Ich sehe dasselbe heute bei unseren Assistenzarztinnen und -arzten. Beim ersten Schnitt ritzen die meisten nur an der Oberflache.


Über Dr. med. Philippe Glauser

Chirurg im Gespräch mit Patientin.

Dr. med. Philippe Glauser ist Facharzt für Viszeral-, Allgemein- und Unfallchirurgie und Chefarzt Viszeralchirurgie und Traumatologie, Spital Dornach.



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