Urologie

«Eine Behandlung ist in jedem Alter möglich»

Sexualfunktionsstörungen sind heute weniger tabuisiert als in früheren Zeiten. Dr. med. Sarah Flury-Sutter ist Oberärztin an der Klinik für Urologie in Dornach. Im Interview spricht sie über mögliche Ursachen für Erektionsprobleme und über Fehlvorstellungen, denen sie im Alltag begegnet.

Frau Flury-Sutter, wie würden Sie die Rolle der Urologie in der sexuellen Gesundheit definieren?
Dr. med. Sarah Flury-Sutter: Die Urologie spielt eine zentrale Rolle in der sexuellen Gesundheit – insbesondere in der Diagnostik, Aufklärung und Therapie organisch bedingter Erektions- und Ejakulationsstörungen. Des Weiteren werden Hormonstörungen, insbesondere Testosteronmangel, bis hin zu Bindegewebserkrankungen des Penis mit Penisverkrümmung oder sexuell übertragbare Infektionskrankheiten abgeklärt. Die Grenzen zu anderen Fachbereichen sind fliessend. Im Rahmen der erektilen Dysfunktion kann eine Zusammenarbeit mit Psychologen, Psychiatern oder Sexualtherapeuten sinnvoll sein. Bei Hormonstörungen arbeiten wir mit den Kollegen der Endokrinologie oder bei sexuell übertragbaren Krankheiten mit der Dermatologie zusammen.

Bei welchen Problemen sollten Patienten zuerst zu Ihnen kommen, bei welchen eher eine psychologische Praxis oder eine Beratung sexualtherapeutische aufsuchen?
Bei neu aufgetretenen sexuellen Problemen ist eine Abklärung hinsichtlich einer organischen Ursache immer sinnvoll und wichtig. Deshalb ist ein Besuch in einer Praxis für Urologie in jedem Fall ein wichtiger Schritt. Bei Bedarf kann zeitgleich bereits eine Psycho- oder Sexualtherapie in die Wege geleitet werden.

Was sind die häufigsten sexuellen Gesundheitsprobleme, mit denen Männer zu Ihnen kommen?
Im Bereich der sexuellen Gesundheit ist das häufigste Problem, weshalb wir von Männern aufgesucht werden, die Erektionsstörung. Dies tritt zwar häufiger bei älteren Männern auf, kann aber in jedem Alter vorkommen. Etwa die Hälfte der Männer im Alter von 40 bis 70 Jahren ist betroffen.

Wie gehen Sie vor, wenn ein Patient mit Erektionsproblemen zu Ihnen kommt?
An erster Stelle steht immer ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten. Dabei werden der Beginn und der Verlauf der Problematik genauer betrachtet. Auch die Vordiagnosen des Patienten sowie die Einnahme von Medikamenten und die Frag nach Noxen (Nikotin, Alkohol, Drogen) sind wichtig, da diese Faktoren einen grossen Einfluss auf die Erektion und die Libido haben können. Allfällige partnerschaftliche Konflikte werden ebenfalls besprochen.

Welche Untersuchungen sind Standard?
Im Anschluss an das ausführliche Gespräch schliesst sich eine körperliche und sonographische Untersuchung des Abdomens, der Prostata und des äusseren Genitals an. Im weiteren Verlauf folgt eine laborchemische Untersuchung – insbesondere zu erwähnen ist eine Hormon- und Lipidanalyse sowie die Bestimmung des Langzeitblutzuckers (HbA1c). In Abhängigkeit von den Resultaten folgen in ausgewählten Fällen weitere spezialisierte Untersuchungen wie eine Sonographie der Penisgefässe. Zu erwähnen ist ausserdem, dass wir im Rahmen der Erstabklärung einer erektilen Dysfunktion eine kardiologische Standortbestimmung empfehlen, sollte diese nicht bereits erfolgt sein. Eine erektile Dysfunktion kann bekannterweise ein Vorbote für eine kardiale Problematik sein.

Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es heute, die früher nicht verfügbar waren?
In der Allgemeinbevölkerung ist insbesondere die medikamentöse Therapie mit PDE-5-Inhibitoren wie Viagra bekannt. Aber zur Behandlung der erektilen Dysfunktion steht heutzutage eine breite Palette an neueren Medikamenten zur Verfügung. Weitere Therapieoptionen sind beispielweise die Schwellkörperautoinjektion (SKAT) oder die extrakorporale Stosswellentherapie (ESWT). Letztere minimalinvasive Behandlungsmethode, welche wir in unserer Klinik anbieten, geht der Ursache auf den Grund und stimuliert die Penisdurchblutung bis hin zur Gefässneubildung, was sich positiv auf die erektile Funktion, aber auch auf eine Penisverkrümmung auswirken kann. Relevant ist es, zusammen mit dem Patienten die für ihn passende optimale Therapie zu finden.

Welche Mythen oder Fehlvorstellungen begegnen Ihnen häufig?
Patienten berichten etwa, dass ihnen die Medikamente zur Behandlung der erektilen Dysfunktion nicht geholfen haben. Im Gespräch kann dann oft ein Fehler in der Anwendung, insbesondere der Zeitpunkt der Einnahme oder eine ungenügende sexuelle Stimulation, eruiert werden, was für die Wirkung des Medikaments notwendig wäre. Im höheren Lebensalter nimmt der Anteil der Männer, welche unter einer erektilen Dysfunktion leiden, zu. Dies wird oft als normale Begleiterscheinung des Alterns hingenommen, obwohl ein beträchtlicher Anteil der Patienten darunter leidet. Eine Behandlung der erektilen Dysfunktion ist aber in jedem Alter möglich.



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