Bariatrische Chirurgie

Fünf Schritte, die helfen, Gewicht zu reduzieren

Bei schwer übergewichtigen Menschen ist eine Operation am Magen manchmal die einzige Massnahme, die zu einer Reduktion des Gewichts führen kann. Aber nie die Einzige. Bericht aus dem Operationssaal.

Ein Dienstag im August, Operationssaal 4, Kantonsspital Olten. «Guete Morge mitenand» sagt Dr. med. Urs Pfefferkorn, «wir beginnen mit dem Team-Time-out». Er erwähnt den Namen des Patienten, sein Alter und welchen Eingriff er durchführen wird. Die Angaben werden vom Team bestätigt, die Operation für einen Magenbypass kann beginnen. Über 1200 solcher Operationen haben er und sein Team in den letzten 10 Jahren bereits durchgeführt. Ein leichter Eingriff ist es dennoch nicht.  Der Patient, nennen wir ihn an dieser Stelle Stefan M., ist 39-jährig und hat krankhaftes Übergewicht, er ist adipös. Adipös sein heisst nicht nur, ein paar Kilogramm zu viel auf den Rippen zu haben, sondern ist schweres Übergewicht mit einem Body- Mass-Index BMI von über 35 kg/m2. Adipositas verursacht oft Folgeerkrankungen wie Gelenkprobleme, Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme, aber auch ein erhöhtes Risiko für gewisse Krebsarten. «Wir kämpfen dafür, dass Adipositas wie von der Weltgesundheitsorganisation auch in der Gesellschaft als Krankheit anerkannt wird», meint Urs Pfefferkorn. Die Operation erfolgt laparoskopisch über fünf kleine Schnitte im Bauch.

Der Bauch des Patienten wird mit CO2 gefüllt, damit sich im Innern des Bauchs ein Hohl- raum bildet und die Instrumente der Chirurginnen und Chirurgen genügend Bewegungsfreiheit haben werden. Über fünf kleine Hautschnitte werden eine Kamera und die langen Instrumente in den Bauch eingeführt. Das Licht geht aus, nun blickt das Operationsteam auf zwei Bildschirme und sieht durch eine hochauflösende Kamera ins Innere des Bauchs. Urs Pfefferkorn muss immer wieder Fettgewebe umlegen, um an den Magen und den Dünndarm zu gelangen.Bevor Stefan M. sich dieser Operation unterziehen konnte, hatte er eine lange Leidensgeschichte hinter sich. «Manchmal vergessen wir», so Urs Pfefferkorn, «dass adipöse Menschen ein Stigma mit sich tragen. Sie werden in unserer Gesellschaft immer noch diskriminiert. Viele von ihnen ziehen sich dadurch zurück, was den Teufelskreis von geringem Selbstwertgefühl, Frust und Essen noch verstärkt.» Und er fügt an: «Oft heisst es, dick werde man durch mangelnde Selbstbeherrschung. Das ist falsch. Menschen werden nicht adipös, weil sie zu viel essen, sondern sie essen zu viel, weil sie Adipositas haben.»

Die Bauchdecke pulsiert mit jedem Piep des Monitors, welcher nebst Puls auch Vital- werte wie Blutdruck, Temperatur oder Sauerstoffsättigung anzeigt. Sieben Fachpersonen kümmern sich zeitgleich um den Patienten. Nebst dem Hauptoperateur Urs Pfefferkorn sind eine Leitende Ärztin, eine Oberärztin, zwei Fachfrauen Operationstechnik, ein Oberarzt Anästhesie, eine Anästhesiepflegerin und ein Fachmann für Operationslagerung im Saal 4. Urs Pfefferkorn legt im Innern des Bauchs die Operationsstelle frei und bildet aus einem kleinen Teil des Magens eine kleine Magentasche, den sogenannten Pouch. Bei jedem Schnitt im Innern des Bauchs wird die Wunde sofort mit Strom verödet, damit sich möglichst wenig Blut im Bauchinnern ansammelt. Der Restmagen wird mit Klammern verschlossen.

Seit über 40 Jahren werden bariatrische Operationen durchgeführt. Bei einem Magenbypass wird der Dünndarm so umgeleitet, dass Nahrung am Magen und Zwölffingerdarm vorbeigeleitet wird und sich erst später mit den Verdauungssäften vermengt. Zudem lässt sich durch die Magentasche nur noch ein verkleinerter Teil der Nahrung aufnehmen. Durch den Eingriff werden aber auch Hormone, die auf das Hunger- und das Sättigungsgefühl wirken, anders reguliert.

Der Monitor wird nun auf eine 3D-Sicht umgeschaltet, alle ziehen eine 3D-Brille an. Urs Pfefferkorn greift mit der Endoskopiezange den Dünndarm und misst 80 Zentimeter ab. Dann schneidet er den Dünndarm durch und näht ihn an die Magentasche. Der Magen wird so umgangen. Die Zusammenarbeit der drei Operateure geht Hand in Hand, flüssig, routiniert, sauber. Die Operationsstellen bluten nur wenig. Das Darmende wird mit der Magentasche dicht verschlossen. Da- nach wird das obere Dünndarmende an den Darm angenäht, der Dünndarm schön platziert. «Es ist wichtig, dass der Darm gut liegt», kommentiert Urs Pfefferkorn den Operationsschritt, «ansonsten das Risiko für einen Darmverschluss steigt». Am Ende wird der Bauch gespült und die Nähte auf ihre Dichtigkeit überprüft. Es zischt, wenn die Eintrittsportale für die Instrumente aus dem Bauch gezogen werden. Direkt vor der Operation musste Stefan M. während zwei Wochen eine Diät durchführen, um das Volumen der Leber zu reduzieren. Je früher damit begonnen wird, desto rascher erholen sich Patientinnen und Patienten. Damit er für eine Operation überhaupt zugelassen wurde, musste er aber noch mehr Kriterien erfüllen (siehe «Der Weg zu einer Operation»).

Die Bauchschnitte werden von innen her vernäht, die Hautschnitte von aussen, der operative Eingriff ist beendet. Voraussichtlich drei Tage wird Stefan M. nun im Spital verbringen und danach nach Hause gehen können. Richtig erholt wird er aber erst in zwei bis vier Wochen sein. Ab jetzt kann er nur noch geringe Nahrungsmengen zu sich nehmen. «Wer aber denkt, damit sei es getan, irrt sich», so Urs Pfefferkorn. Stefan M. wird immer daran arbeiten müssen, sein Gewicht zu halten. Ab jetzt beginnt jedoch ein neues Leben für ihn: Das Essen, Aussehen, Körpergefühl, die Kleidung, das Selbstwertgefühl, die Bewegung – vieles wird sich ändern. Urs Pfefferkorn ruft die Partnerin von Stefan M. an, teilt ihr mit, die Operation sei erfolgreich gewesen. Für den Patienten ein lebensverändernder Eingriff, für Urs Pfefferkorn Profession.



Erfahren Sie mehr über zwei Eingriffe der bariatrischen Chirurgie in den nachfolgenden Erklärvideos, bereitgestellt von Medtronic.


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