Bild einer Angehörigen die in die Ferne schaut.

Angehörigenporträt

«Ich habe lange nicht realisiert, was los war.»

Gudrun Hochberger und ihre Geschwister pflegten ihre an Demenz erkrankten Eltern bis zum Ende daheim.

Umgang mit Demenz in der Familie

«Der Beginn der Erkrankung war bei meinen Eltern so schleichend, dass ich, selbst als Pflegefachfrau, lange nicht realisiert habe, was eigentlich los ist. Ich habe sehr oft falsch reagiert. Irgendwie gewöhnt man sich auch an die Veränderungen im Haushalt der Eltern. Eine Demenz ist ja keine akute Erkrankung, und mei­ne Eltern konnten sich lange ‹zusammenreissen›. Begonnen hat es bei meinem hochbetagten Stief­vater. Eine Erinnerung an das Brotkörbchen im Kühl­schrank ist mir geblieben. Sehr typisch, dieses Symp­tom, aber ich habe nicht darüber nachgedacht und mich aufgeregt. Zudem las er monatelang im gleichen Buch, meistens auf derselben Seite. Erst als er einmal das Buch verkehrt herum hielt, wurde ich richtig auf­merksam.

Bei meiner Mutter begannen die Veränderungen später, aber schritten sehr schnell voran, da sie durch eine schwere Harnwegsinfektion auch noch ein Delir hatte, das leider niemand erkannte.
Eines Tages fragte sie mich, wie mir die Hochzeit gefallen hat, auf der wir gar nicht waren. Ein anderes Mal war sie traurig wegen einer Beerdigung, die gar nicht stattgefunden hatte.
Die Wesensveränderungen schritten schnell vor­an. Meine Mutter, früher eher eine ernste Frau, lachte viel, oft dann, wenn es gar nichts zu lachen gab. Später liessen ihre Tischmanieren nach, dann ihre persön­liche Hygiene und zuletzt ihre Kraft. Sie verschluck­te sich oft sehr stark, eine logopädische Behandlung lehnte sie aber ab.

Pflege und Unterstützung bei Demenz

Meine Geschwister und ich holten uns für die Betreuung Unterstützung einer Betreuerin aus Ost­europa, die fortan auch bei meinen Eltern wohnte. Ansonsten wäre es nicht möglich gewesen, unsere Eltern daheim zu pflegen. Ich holte mir ausserdem Hilfe im Alzheimer Café in Solothurn, weil ich zu we­nig wusste, wie mit der Situation umzugehen ist. Später konnte ich dank diesem Wissen auch meine Geschwister coachen. Statt meinem Vater zu wider­sprechen, wenn er etwa die Ochsen im Stall füttern wollte, die schon seit Jahren nicht mehr da waren, lenkten wir ihn ab, statt ihm zu widersprechen. Minu­ten später hatte er vergessen, was er unbedingt ma­chen wollte. Meine Eltern starben innerhalb von 10 Monaten friedlich zu Hause. Dies war nur möglich, weil wir vier Geschwister alle zusammenhielten und zusammen mit der Spitex und der Betreuerin Enormes leisteten. Wir haben das gerne gemacht, ich bin stolz auf das, was wir geschafft haben.»


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