Jugendliche tanzt vor gelber Wand
ADOLESZENZ

Im Umbau – bitte nicht stören!

Biologisch betrachtet verändern sich im Übergang vom Kind zum Erwachsenen nahezu sämtliche Organe und körperlichen Funktionen. Auch das Gehirn. Das heisst aber auch, dass in dieser Phase der Veränderung Jugendliche sehr verletzlich sind.

«Die Jugend wäre eine schönere Zeit, wenn sie erst später im Leben käme.» Dieses Zitat beschreibt wohl das Gefühl vieler Jugendlicher, die sich in der Phase der Veränderung befinden. Denn manchmal wissen sie selber nicht, woran sie sind. Während der Begriff «Pubertät» vor allem die körperlichen Veränderungen wie Wachstumsschub, die Reifung von primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen sowie die geschlechtsabhängige Umverteilung von Muskel- und Fettgewebe bezeichnet, wird unter Adoleszenz die psychosoziale Pubertät verstanden.

Dr. med. Beat Nick, Leitender Arzt im Behandlungszentrum für ­Psychosen der Psychiatrischen Dienste soH, beschreibt sie als Phase des Suchens nach Antworten: «Die Adoleszenz ist eine Zeit vieler Veränderungen und Entscheidungen: Suchen eines eigenen Weges mit der Frage, wer bin ich, abnabeln vom Elternhaus sowie das Suchen und Finden eines Lebenssinns im beruflichen und privaten Bereich.» Das sind grosse Themen. Viele dieser Fragen bergen Unsicherheiten. Unsicherheiten, die durch hohe Anforderungen von aussen und innen verstärkt werden können. Die Bedeutung der Eltern geht zurück, Jugendliche beginnen sich in der Adoleszenz stärker an Gleichaltrigen zu orientieren, der sogenannten peer group. «Hinzu kommen unzählige und zu jeder Zeit verfügbare Quellen wie Internet und Social Media. Diese regelrechte Informationsflut kann die Orientierung in dieser entscheidenden Lebensphase erschweren», so Beat Nick.

Verletzliche Momente

Das Hirn baut sich in der Adoleszenz regelrecht um. In dieser Umbauphase kann es dazu kommen, dass sich die verschiedenen Strukturen des Gehirns unterschiedlich rasch entwickeln und dadurch emotionale Reaktionen anders gesteuert werden als bei Erwachsenen. Diese Theorie würde erklären, weshalb Jugendliche oft ein ausgeprägteres Risikoverhalten haben oder in dieser Phase eben auch sehr anfällig für psychische Störungen sind. «Die Hälfte aller psychischen Erkrankungen beginnt im Alter von 14 Jahren», sagt Psychiater Beat Nick, «viele dieser Erkrankungen bleiben aber unentdeckt und können zu schwerwiegenden Folgen wie soziale und persönliche Destabilisierung oder Suizid führen». Die Selbstmordrate unter Jugendlichen ist in der Schweiz sehr hoch und sogar die zweithäufigste Todesursache bei 15- bis 29-Jährigen. Der Früherkennung psychischer Störungen bei Jugendlichen kommt deshalb eine grosse Bedeutung zu.

Widerstandsfähigkeit fördern

«Aber es ist auch sehr wichtig, dass Jugendliche in der psychischen Gesundheit gefördert und geschützt werden», so Beat Nick. Er spricht damit die sogenannte Resilienz an, also die Widerstandsfähigkeit, die bereits von früher Kindheit an aufgebaut und gefördert werden sollte. «Der Grundstein, eine hohe Resilienz zu entwickeln, sind tragende Beziehungen in der Familie, in der sich ein Jugendlicher aufgehoben fühlen kann, aber auch in der Schule und Ausbildung.»

Die Adoleszenz ist eine bedeutende und zuweilen auch heftige Phase auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Und wichtig bleibt auch zu wissen, dass die allermeisten Jugendlichen keine psychische Störung entwickeln und ihren Weg ins Erwachsensein vielleicht nicht ganz hindernisfrei aber ohne Erkrankung hinter sich bringen können.

Was bedeutet Adoleszenz?

Unter Adoleszenz wird der Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden verstanden. Sie umfasst das Altersspektrum von 11 bis 25 Jahren. Bei manchen dauert sie länger und fängt früh an, aber auch das Gegenteil kann der Fall sein. Jugendliche in dieser Phase…

… entwickeln eine Geschlechtsrolle

… lernen, Veränderungen ihres Körpers zu akzeptieren

… lösen sich von den Eltern ab

… bauen einen eigenen Freundeskreis auf

… entwickeln eine eigene Weltanschauung

… bauen ihre Zukunft auf und müssen sich für einen Weg in der Berufsbildung oder im Studium entscheiden.


Mögliche psychische Störungen in der Adoleszenz

  • Depressive Störungen
  • Angststörungen
  • Psychosen (gestörter Realitätsbezug)
  • Stoffgebundene Suchterkrankungen (Alkohol, Drogen)
  • Nicht stoffgebundene Suchterkrankungen (Computerspiele, Internet, u. a.)
  • Aufmerksamkeitsdefizit- und, oder Hyperaktivitätsstörungen ADHS
  • Verhaltensstörungen wie zum Beispiel die Schwierigkeit, Emotionen zu kontrollieren
Jugendlicher sitzt in einem Sessel und schaut in sein Smartphone

Wussten Sie, dass bei Teenagern das Gehirn manchmal nicht Schritt halten kann mit den schnell wachsenden Gliedmassen. Deshalb können Teenager temporär Schwierigkeiten mit der Koordination bekommen.


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